Rechtsextremer MesserstecherSchonte die Justiz den Sohn von Zürcher Promi-Paar?
Gerichtliche Auflagen für einen rechtsextremen Messerstecher aus linkem Promi-Elternhaus gehen gemäss Experten sehr weit.
- von
- Tim Haag
- Christina Pirskanen
Darum gehts
Er verbreitete eine rechtsterroristische Ideologie und stach 2020 einen Menschen fast zu Tode: Der Sohn (22) eines Zürcher Promi-Paars stand dieses Jahr vor dem Bezirksgericht und wurde zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Dass das Gericht strenge Auflagen machte, um die Anonymität des Beschuldigten und seiner Familie zu wahren, sorgt für heftige Diskussionen. Auf Social Media ist von einem «Promi-Bonus» und «dem Versagen der Schweizer Justiz» die Rede.
«Die Thematik der Anonymität ist eine heikle Gratwanderung», sagt Daniel Kettiger, Justizforscher an der Universität Bern. Grundsätzlich soll die Öffentlichkeit bei einer strafrechtlichen Verurteilung informiert werden, andererseits gebe es auch triftige Gründe, um die Identität von Beschuldigten zu schützen. «Die zusätzlichen Anordnungen des Zürcher Gerichts gehen jedoch sehr weit», so Kettiger.
Dass die Anonymität des Beschuldigten derart geschützt wird, findet auch Markus Melzl, ehemaliger Kriminalkommissar und Sprecher der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, ungewöhnlich. «Vermutlich wollte die Justiz damit verhindern, dass die prominente Familie des Täters unnötig stigmatisiert wird», so Melzl. Diese Entscheidung hält er für falsch: «Damit bauschte man den Fall zusätzlich auf. Hätte man nicht versucht, die Identität des Beschuldigten zu schützen, wäre es für die Familie bei einem Sturm im Wasserglas geblieben.»
Rechtsextremer Messerstecher wuchs in linkem Promi-Elternhaus auf
Keine Regelung im Schweizer Strafrecht
Dass der Fall am Bezirksgericht Zürich verhandelt wurde, liegt gemäss Melzl daran, dass für rechtsextreme Straftaten im Gegensatz zu islamistischem Terrorismus keine Regelung im Schweizer Strafrecht existiert, die diese automatisch zur Sache des Bundesstrafgerichts macht. Das Urteil sei aus juristischer Sicht nicht per se zu lasch. «Es liegt etwas unter den geforderten acht Jahren der Staatsanwaltschaft und bewegt sich damit im üblichen Rahmen.»
2021 hat die Schweizer Stimmbevölkerung das Anti-Terror-Gesetz angenommen, das es den Behörden ermöglicht, ausserhalb des Strafrechts präventiv gegen sogenannte Gefährder und Gefährderinnen vorzugehen. «Die Aussagen des Beschuldigten auf Social Media könnten für eine Gefährderansprache, also ein verbaler Hinweis der Polizei an den Gefährdenden, dass er im Visier der Polizei ist, reichen», erklärt Melzl. Um ihn strafrechtlich zu belangen, müssten aber eindeutige Vorbereitungshandlungen für eine Straftat erkennbar sein: «Diese sind oftmals schwierig zu beweisen.»
Die polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) greifen gemäss Fedpol auch bei einem solchen Fall von rechtsextremistisch motiviertem Terrorismus. «Der Übergang zwischen gewalttätigem Extremismus und einer terroristischen Bedrohung ist fliessend – und unabhängig von der Ideologie», sagt ein Sprecher. Die PMT-Massnahmen bedürfen aber eines Antrags der Kantone oder des Nachrichtendienstes und werden von Fall zu Fall geprüft.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Rassismus betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Beratungsnetz für Rassismusopfer
GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen
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