«Schräg anschauen genügt»
Immer öfter werden in jüngster Zeit Personen auf offener Strasse ohne ersichtlichen Grund und oft auch ohne vorgängige verbale Provokation zusammengeschlagen.
«Es ist traurig, aber wahr, in letzter Zeit ist die Zahl der grundlosen Attacken auf unschuldige Opfer angestiegen», bilanziert Rudolf Woodtli, PR-Chef der Kantonspolizei Aargau. Die Täter seien meist jung und stammten auffällig oft aus dem Balkanraum.
Dieser Trend wird auch in Bern festgestellt: «Es kommt vermehrt zu absolut grundlosen Tätlichkeiten», so Franz Märki von der Stadtpolizei Bern. In der letzten Jahresstatistik der Kantonspolizei Bern steht zudem: «Täter sind immer mehr Jugendliche, sehr oft mit Migrationshintergrund, die meistens ohne irgendeinen Anlass oder aus Langeweile andere Einzelpersonen oder Personengruppen attackieren.»
«Schräg anschauen genügt oft schon, und es kommt zu Tätlichkeiten», bestätigt der St.Galler Staatsanwalt Thomas Hansjakob. Und auch die Stadtpolizei Zürich spricht von einer Häufung der grundlosen Attacken in letzer Zeit – diese könne laut Sprecher Michael Wirz jedoch auch zufällig sein.
Dem Jugendpsychologen Allen Guggenbühl ist das Phänomen bekannt: «Personen, die Streit suchen, geben oft nur Nebensächlichkeiten an, um zu provozieren.»
Opfer R.S.: «Nachts nehme ich seither immer ein Taxi»
R.S. wurde vor zweieinhalb Wochen in der Zürcher Innenstadt Opfer von grundloser Gewalt. Was ist passiert?
R.S.: Ich lief in der Nacht nach Hause. Plötzlich sprangen zwei Typen aus einem Auto, das an einer Ampel stand, und schlugen, ohne nur ein Wort zu sagen, meinem Kollegen in den Magen und mir ins Gesicht. Ich prallte mit dem Hinterkopf auf den Asphalt und war bewusstlos. Im Spital kam ich wieder zu mir. Die Platzwunde am Hinterkopf musste mit vier Stichen genäht werden.
Wie verhalten Sie sich seither auf der Strasse?
R.S.: Der Vorfall ist mir wahnsinnig eingefahren. Die ersten Tage nach der Tat habe ich sogar tagsüber jeden paranoid angeschaut und sehr oft zurückgeblickt, als ich Schritte hinter mir hörte. Nachts nehme ich seither immer ein Taxi.
Wie versuchen Sie, die Tat zu verarbeiten?
R.S.: Ich versuche, das Ganze zu verdrängen, das ist das Beste. Ich kann nicht begreifen, wie jemand grundlos zusammengeschlagen werden kann.
Haben Sie Anzeige erstattet?
R.S.: Wir habens gemeldet, sind aber wegen der Anzeige noch nicht sicher. Mein Kollege hat Kinder. Wir fürchten, dass die uns noch mal erwischen könnten. Ausserdem hätten die wohl sowieso nicht viel zu befürchten, falls sie gefasst würden.
(nm/mar/aro/feb)
Entwicklung der Jugendgewalt 1999-2005
Jugendstrafurteile zu Gewaltstraftaten (nach Geschlecht, Alter und Nationalität)
Quelle: Bundesamt für Statistik, BfS
Die jüngsten Fälle
- 6. Mai, Wald AR: Aus Wut über seine Freundin schlägt ein 17-jähriger Schweizer einen zufällig vorbeifahrenden Knaben (14) mit der Faust vom Velo und bricht ihm dabei den Wangenknochen.
- 13. Mai, Stettlen BE: Eine Gruppe Jugendlicher verprügelt ohne Vorwarnung auf dem Schulweg drei Sekundarschüler. Ein Opfer erleidet ein Loch im Trommelfell des rechten Ohrs, die anderen beiden mittelschwere Prellungen.
- 26. Mai, Zürich: Ein 25-jähriger Mann wird vor dem Club Platins in der Sihlcity brutal verprügelt. Er schwebt noch immer in Lebensgefahr.
- 27. Mai, Zürich: Unbekannte reissen einen Mann vom Fahrrad und schlagen ihn zusammen. Mit Knochenbrüchen schleppt sich das Opfer nach dem Angriff selbst ins Spital.
- 27. Mai, Baden AG: Eine Gruppe attackiert mit Flaschen eine
Polterabend-Gruppe. Einer Person hauen die Unbekannten mit voller Wucht einen Holzpfahl ins Gesicht. Acht Personen werden verletzt.