ColchicinSchützt dieses Medikament vor schweren Corona-Verläufen?
Colchicin – diesen Namen sollte man sich merken: Das Gicht-Medikament scheint das Risiko eines schweren Corona-Verlaufes deutlich reduzieren zu können. Zudem ist es günstig und sofort verfügbar.
- von
- Fee Anabelle Riebeling
Darum gehts
Das unter anderem zur Behandlung von Gicht zugelassene Medikament Colchicin könnte im Kampf gegen das Coronavirus helfen.
Davon berichten Forschende in einer noch nicht veröffentlichten Studie.
Diese wäre nicht die erste wissenschaftliche Arbeit, die in diese Richtung deutet.
Selbst behandeln sollte man sich mit Colchicin aber nicht – sonst droht Lebensgefahr.
Um möglichst schnell eine Waffe gegen Sars-CoV-2 in der Hand zu haben, forschen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen weltweit nicht nur zu neuen Medikamenten und Impfstoffen. Sie untersuchen auch, ob bereits gegen andere Krankheiten existierende gegen das Coronavirus wirken. Deren Vorteil: Ihre Nebenwirkungen sind bereits bekannt und sie sind zugelassen. Sie müssten also nur noch auf den neuartigen Erreger umgewidmet werden. Das spart wertvolle Zeit und damit Leben.
Ein so vielversprechender Kandidat könnte nach Meinung von Forschenden Colchicin sein – ein stark entzündungshemmendes Medikament, das aus der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale) gewonnen wird und zur Behandlung verschiedener Krankheiten wie Gicht, einer entzündlichen Arthritis und Herzbeutelentzündung eingesetzt wird. Letztere wird auch bei Corona-Infizierten häufiger festgestellt.
Covid-19-Patienten verabreicht, soll es die Gefahr eines Zytokinsturms deutlich reduzieren, jener überschiessender Immunreaktion, die schon vielen an Corona Erkrankten das Leben kostete.
«Etwa hundertmal wirkungsvoller als Remdesivir»
Eine Empfehlung für das Medikament wird zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht ausgesprochen. Denn bislang gibt es keine veröffentlichten und vor allem von unbeteiligten Fachleuten überprüften Studienergebnisse. Allerdings sollen die Resultate einer aktuellen Phase-III-Studie zu Colchicin so überzeugend gewesen sein, dass das federführende Montreal Heart Institute mit der guten Nachricht nicht warten wollte und eine Mitteilung versendete: Es könnte «das weltweit erste orale Medikament sein, das zur Behandlung von nicht-hospitalisierten Patienten mit Covid-19 verwendet werden kann.»
Demnach verhinderte frühes Schlucken von Colchicin-Tabletten in der Colcorona-Studie Spitaleinweisungen um 25 Prozent, die Notwendigkeit einer künstlichen Beatmung um 50 Prozent und infektionsbedingte Todesfälle um 44 Prozent. Diese Ergebnisse sind laut Angaben des Instituts signifikant. Wie ElPais.com Adolfo García-Sastre, Virologe am Mount Sinai Hospital in New York und einer der verantwortlichen Studienautoren, zitiert, ist Colchicin damit «etwa hundertmal wirkungsvoller als Remdesivir.» Das ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelte Präparat war Teil des Medikamenten-Cocktails, den der ehemalige US-Präsident Donald Trump gegen seine Covid-19-Erkrankung erhalten hatte.
Die rund 4500 Teilnehmenden waren bei Studieneinschluss nicht stationär aufgenommen, hatten aber mindestens einen Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Verlauf.
Mehrere Studien berichten Positives
Auch wenn es noch keine finalen Ergebnisse aus der Colcorona-Studie gibt, besteht Grund zur Hoffnung. Denn die mittlerweile bei «einer grossen wissenschaftlichen Zeitschrift» eingereichte Arbeit ist nicht die erste Untersuchung, die eine positive Wirkung des Präparats auf Covid-19-Patienten feststellte.
So lieferte die Greco-19-Studie Hinweise darauf, dass das Mittel vor allem bei Patienten mit einem potentiell schlechteren Verlauf wertvoll sein könnte. Die Autoren einer italienischen Arbeit kamen zu dem Schluss, dass zusätzlich zur Standardbehandlung mit Lopinavir/Ritonavir, Dexamethason oder Hydroxychloroquin verabreichtes Colchicin den Betroffenen einen signifikanten Mortalitätsvorteil verschafft gegenüber an Covid-19 Erkrankten, die nur die Standardbehandlung erhielten.
Ein drittes Forscherteam konnte zeigen, dass Corona-Patienten nach der Gabe des Herbstzeitlosen-Extrakts am siebten Tag weniger zusätzlichen Sauerstoff (6 Prozent gegenüber 39 Prozent) benötigten und eher entlassen werden konnten als Probanden der Kontrollgruppe (94 Prozent gegenüber 83 Prozent).
Bitte keine Selbstmedikation
Trotz dieser guten Aussichten warnen Fachleute wie die von Faz.de zitierte spanische Ärztin Mar García Sáiz davor, sich nun selbst mit Colchicin zu behandeln. So besteht einerseits die Gefahr, eine zu hohe und somit toxische oder gar tödliche Dosis zu erwischen. Andererseits könne das Medikament bei Personen mit etwa Nierenschäden schwere Nebenwirkungen verursachen und auch mit anderen Behandlungen negativ interagieren. Colchicin sollte unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden, betont die Medizinerin.
Hast du oder jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit?
Hier findest du Hilfe:
BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00
BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92
Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona
Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige
Hotline bei Angststörungen und Panik, Tel. 0848 801 109
Pro Juventute, Tel. 147
Dargebotene Hand, Tel. 143
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