Schule lässt wegen Lehrermangel 6000-Franken-Werbevideo drehen

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Affoltern ZHSchulleiter sucht per teurem Youtube-Video verzweifelt Lehrer 

Das Schulhaus Käferholz sucht dringend vier Lehrpersonen. Trotz aufwendigem Youtube-Video bewirbt sich niemand.

Marino Walser
Daniel Krähenbühl
von
Marino Walser
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Daniel Krähenbühl
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Das Schulhaus Käferholz in Affoltern sucht vier Lehrpersonen. In einem Video wirbt die Schule für sich und will so gut ausgebildetes Lehrpersonal gewinnen. 

Das Schulhaus Käferholz in Affoltern sucht vier Lehrpersonen. In einem Video wirbt die Schule für sich und will so gut ausgebildetes Lehrpersonal gewinnen. 

Privat
Schulleiter Aaron Schnyder sagt: «Das Video hat uns 6000 Franken gekostet.» Obwohl er vom Video überzeugt ist, gibt er zu, dass er von den Ausgaben die erhofften Lorbeeren noch nicht ernten kann.

Schulleiter Aaron Schnyder sagt: «Das Video hat uns 6000 Franken gekostet.» Obwohl er vom Video überzeugt ist, gibt er zu, dass er von den Ausgaben die erhofften Lorbeeren noch nicht ernten kann.

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Das Worst-Case-Szenario ist für Schnyder, dass er auf Lehrpersonal zurückgreifen muss, die nur dank einer Schnellbleiche und ohne fundierte Ausbildung den Job ausüben kann.

Das Worst-Case-Szenario ist für Schnyder, dass er auf Lehrpersonal zurückgreifen muss, die nur dank einer Schnellbleiche und ohne fundierte Ausbildung den Job ausüben kann.

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Darum gehts

  • Das Schulhaus Käferholz in Affoltern sucht für das neue Schuljahr vier Lehrpersonen.

  • Aufgrund des Lehrermangels entschied sich die Schule, ein Werbevideo für 6000 Franken zu produzieren.

  • Trotz aufwendigem Video hat sich noch niemand für eine Stelle beworben.

In der Schweiz und vor allem im Kanton Zürich gibt es zu wenig Lehrpersonen. Dies spürt auch die Sekundarschule Käferholz in Affoltern ZH. Vier Stellen sind dort zurzeit vakant. Obwohl die einzelnen Stelleninserate seit über zwei Wochen ausgeschrieben sind, hat sich noch niemand auf eine Stelle beworben.  «Es ist äusserst schwierig, adäquat ausgebildete Lehrpersonen zu finden», sagt Schulleiter Aaron Schnyder. Doch die Zeit läuft gegen den Walliser Schulleiter: Bis zu Beginn des neuen Schuljahres müssen die vakanten Stellen belegt sein.

Daher setzt Schnyder auf ein Youtube-Video, in dem sich Kinder und Lehrpersonen aus dem Käferholz an mögliche neue Lehrpersonen richten. «Wir sind ein super Team, hören einander zu und fühlen uns untereinander unterstützt. Es gibt noch viele andere Gründe, bei uns zu arbeiten», werben die Lernenden und Lehrpersonen.

«Kein 0815-Video»

Es sei nicht neu, dass ein Schulhaus auf ein Video setzt, um Lehrpersonen für sich gewinnen zu können, sagt Schnyder. «Neu aber ist, dass das Video professionell ist und durch eine externe Agentur erstellt wurde. Es ist kein 0815-Video.» Und dafür hat der Schulleiter einen Batzen locker gemacht. «Das Video hat uns 6000 Franken gekostet.»

Er sei vom Video überzeugt, sagt Schnyder. Trotzdem müsse er zugeben, dass die Bewerbungsflut bisher aufgeblieben: «Das Video ist über tausendmal angeklickt worden, eine Bewerbung ist dennoch nicht eingegangen.» Das Video habe aber bei der Erarbeitung die Schülerinnen und Schüler und die Lehrpersonen zusammengeschweisst, das sei ein positiver Nebeneffekt.

Mehr Plätze an pädagogischen Hochschulen gefordert

Weshalb der Lehrpersonenmangel in der Schweiz derart Einzug erhalten hat, kann sich Schnyder nur sehr begrenzt erklären. «Sicherlich haben wird durch Pensionierungen und Babyboomer viel Lehrpersonal verloren. Aber auch die anspruchsvolle Arbeit kann abschreckend sein.» Es bestehe zwar die Möglichkeit, auf Laienlehrpersonen zurückzugreifen, eine Option sei es zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht. «Für unsere Schule suchen wir Personen, die einen Abschluss an einer pädagogischen Hochschule haben und im besten Fall auch bereits über Berufserfahrung verfügen», sagt Schnyder.

Das Worst-Case-Szenario ist für Schnyder, dass er dennoch auf Lehrpersonal zurückgreifen muss, das nur dank einer Schnellbleiche und ohne fundierte Ausbildung den Job ausüben kann. «Damit wir mit diesem Problem in Zukunft nicht mehr konfrontiert werden, ist es wichtig, dass der Kanton mehr Plätze an der pädagogischen Hochschule schafft.»

«Die Situation ist wirklich prekär»

In Zeiten von «spürbarem prekärem Lehrpersonenmangel» müssten Schulen neue Wege gehen und Ideen entwickeln, um auf sich aufmerksam zu machen, sagt die Präsidentin des Schweizer Lehrerinnen- und Lehrerverbands, Dagmar Rösler. «Es war wohl noch nie so schwierig, freie Stellen durch adäquat ausgebildetes Lehrpersonal zu besetzen», so Rösler. Sie Situation sei zurzeit wirklich prekär.

Dass Schnyder nur im äusserten Notfall auf Laienlehrpersonen zurückgreifen will, sei vorbildlich, sagt Rösler. Das sei eine «absolut» korrekte Haltung. «Um für diesen anspruchsvollen Beruf gewappnet und vorbereitet zu sein, braucht es eine entsprechende Ausbildung – wie in jedem anderen Beruf auch.»

Findest du es gut, dass die Schule 6000 Franken für ein Werbevideo ausgegeben hat?

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