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Verbotene LiebeSchutzhaft für Indiens Rebellenpärchen

Familie und Tradition schränken die Partnerwahl für Inder mit strengen Regeln stark ein. Wer trotzdem dem Ruf des Herzens folgt, lebt gefährlich. Viele Paare suchen deshalb Zuflucht in Schutzhäusern.

von
fvo
Das Foto aus dem Jahr 2010 zeigt Ravinder Gehlaut mit seiner Frau Shilpa Kadiyan. Das Paar musste flüchten, um sein Leben zu schützen. Beide gehören zum selben weitläufigen Klan - die Tradition verbietet eine Vermählung zwischen den Mitgliedern.

Das Foto aus dem Jahr 2010 zeigt Ravinder Gehlaut mit seiner Frau Shilpa Kadiyan. Das Paar musste flüchten, um sein Leben zu schützen. Beide gehören zum selben weitläufigen Klan - die Tradition verbietet eine Vermählung zwischen den Mitgliedern.

In Indien werden Frauen traditionell bevormundet, erst von den Eltern, dann von ihrem Ehemann. Das mit der Liebe ist deshalb nicht so einfach. Familie und Dorfrat verbieten Beziehungen im gleichen Dorf und innerhalb desselben väterlichen Klans (gotra). Kaste und Glaube hingegen müssen übereinstimmen. Nicht selten werden Paare, die sich über die traditionellen Regeln hinwegsetzen, bedroht oder sogar umgebracht, um die Ehre wiederherzustellen.

Und doch trotzen immer mehr junge Männer und Frauen den jahrhundertealten Zwängen. Sie verlieben sich über die sozialen Grenzen hingweg, wobei Handy und Facebook ihren Teil dazu beitragen, schreibt BBC.

Die neuen Medien mögen es erleichtern, dem Ruf des Herzens zu folgen. Vor den Konsequenzen der verbotenen Liebe bewahren sie allerdings nicht. Aus diesem Grund flüchten immer mehr junge Paare, die ausserhalb ihrer Kaste geheiratet haben, in Schutzhäuser, die von der Polizei bewacht werden. Allein im Bundesstaat Haryana suchten im vergangenen Jahr über 200 Paare die vom Gericht verordnete Schutzhaft auf.

Eltern wollen einen «Hi-Fi Boy»

Das britische Newsportal erzählt die Geschichte der 22-jährigen Shallu und des fünf Jahre älteren Subhas, die im Norden Indiens 120 Kilometer voneinander getrennt lebten. Sie die Tochter eines Lebensmittelhändlers, er der Sohn eines Regierungsangestellten. Durch einen Freund auf Facebook verbunden, knüpften sie im sozialen Netzwerk den ersten Kontakt und trafen sich in einem Café in der Stadt Ambala. Aus der anfänglichen Freundschaft wurde Liebe.

Als Shallus Familie von der Beziehung erfuhr, nahmen sie der Tochter das Telefon weg. Sie wollten einen «hi-fi boy», einen gutaussehenden Reichen für ihre Tochter. Und vor allem einen Mann, der nicht wie Subhas einer niedereren Kaste angehört. Doch das sollte die Liebenden nicht trennen.

Am 22. Mai 2012 ging Shallu statt zur Uni-Prüfung in einen Tempel und heiratete ihren Freund. Seither haben schon mehrere Familienmitglieder der rebellischen Frau Subhas Haus aufgesucht und verlangt, dass «das Mädchen» zurückgegeben werde. Ansonsten «können Dinge passieren», zitiert BBC die Drohungen. Das Ehepaar wusste, worauf es sich einliess, und suchte gleich nach dem Jawort polizeilichen Schutz: Die Frischvermählten verbringen ihr Leben seither in einem der Schutzhäuser von Haryana.

Mensch ärgere dich nicht statt Flitterwochen

Dieses bewachte Leben ist trist. Zwei bis drei Paare teilen sich ein Zimmer, vor der Tür steht ein bewaffneter Polizist. Die Zeit wird mit Brettspielen totgeschlagen. Platz für Intimitäten gibt es für die Liebenden nicht. Doch ausserhalb der Schutzmauern fürchten sie um ihr Leben.

Sie habe ihrem Vater doch Kosten von einer Million Rupien (über 17 600 Franken) erspart, meint Shallu zynisch. Es ist der Betrag, den der Vater für ihre Mitgift beiseite legte. «Meine Familie sollte froh sein!» Doch die junge Frau weiss genau, dass ihre Entscheidung nicht akzeptiert wird: Sie darf nicht den Mann heiraten, den sie liebt.

Die Stimmung der Frauen im Schutzhaus sei deutlich besser als die ihrer Ehemänner, schreibt BBC. Himani, die ebenfalls in einem solchen Haus lebt, meint zu ihrer Lage: «Mich zu verlieben ist das Beste, was mir passieren konnte. Es hat mir gezeigt, wie schrecklich Kasten sind.»

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