Kreisssaal-Trend aus USA: Schwangere gehen mit Miet-Freundin zur Geburt

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Kreisssaal-Trend aus USASchwangere gehen mit Miet-Freundin zur Geburt

Sie nennen sich Doula und sind Freundinnen auf Zeit: Schwangere und Gebärende in der Schweiz lassen sich immer mehr von einer erfahrenen Mutter begleiten.

Deborah Sutter
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Deborah Sutter

Ein neuer Trend in Sachen Gebären schwappt aus den USA in die Schweiz: Bereits über 100 sogenannter Doulas betreuen in der Schweiz schwangere Frauen. Der Name bedeutet auf altgriechisch so viel wie Magd, Sklavin oder Dienerin.

Eine dieser Doulas ist Regula Brunner aus Zürich. Seit 2001 arbeitet sie neben ihrem Beruf als Doula. «Ich selber hatte eine schlimme erste Geburt und wusste, als ich das zweite Mal schwanger war, so soll es bestimmt nicht ein zweites Mal sein», erzählt Brunner. Darum habe sie sich eine Frau gesucht, die sie während der ganzen Geburt und auch in der Zeit danach begleitete. «Ich brauchte einfach eine andere Frau, die mit mir redete, mich fragte, was ich denke und mit mir die Geburt nochmals besprach.»

21 Babys auf die Welt gebracht

Viele ihrer Kundinnen kämen mit demselben Anliegen zu ihr: «Medizinisch wird man während Schwangerschaft und Geburt top betreut. Doch die ganzen Sorgen, die man als werdende Mutter hat, haben nirgends Platz», so Brunner. Oftmals betreuten mehrere Hebammen eine Gebärende, es komme zu Schichtwechseln mitten im Prozess.

«Das kann zu Hektik und zusätzlichem Stress führen. Und genau dafür sind wir da: Wir bringen Kontinuität hinein, indem wir die Frauen vor der Geburt mindestens drei Mal sehen und sie währenddessen nie alleine lassen.» Aber auch für die Partner der Gebärenden seien sie da: «Diese sind oft sehr froh, wenn jemand sie informiert darüber, was gerade mit ihrer Frau und ihrem Kind geschieht – denn gerade wenn es schnell gehen muss, gehen die Männer oft vergessen.»

«Die Doula war wie eine Anwältin»

Brunner hat selber zwei erwachsene Kinder und 21 Babys auf ihrem Weg in die Welt begleitet. In der Schweiz ist es Bedingung, selber Mutter zu sein, um sich zur Doula ausbilden zu können.

Eine Doula sei keine Konkurrenz zur Hebamme, betont Brunner. «Wir verstehen uns als Freundinnen auf Zeit und stehen den Frauen bei einem wichtigen Ereignis in ihrem Leben bei.» Vier Wochen vor dem Geburtstermin geht für eine Doula die strengste Zeit los: «Vier Wochen lang sind wir 24 Stunden lang auf Pikett, jederzeit bereit ins Spital zu düsen.» Kostenpunkt dieser Dienstleistung: zwischen 800 und 1000 Franken.

Beste Freundin kann leicht die Nerven verlieren

Anna Brunner, 41, ist eine der Frauen, die mit Regula Brunner geboren hat. Anna Brunner hat insgesamt vier Kinder: «Die letzten zwei habe ich mit einer Doula zur Welt gebracht, da ich wusste, dass der Vater der Kinder mit dem Moment der Geburt überfordert ist und mich nicht unterstützen kann.» Sie habe einfach jemanden neben ihr gebraucht, der sie und ihre Wünsche genau kenne.

«Die Doula war wie eine Anwältin, eine Assistentin, die meine Anliegen den Hebammen und Ärzten gegenüber vertreten konnte», sagt Brunner. Denn während der Geburt könne man als Frau sich nicht mehr dazu äussern. «Die beiden letzten Geburten waren ein sehr schönes Erlebnis, da ich mich ‹nur› ums Gebären kümmern musste und nicht noch um anderes, wie etwa das Organisieren von Essen mitten in der Nacht, wenn sich die Geburt hinzieht.»

Dass sie sich quasi eine fremde Frau als Freundin gemietet hatte, war für Brunner kein Problem: «Ersten empfand ich meine Doula nicht als fremd, da wir uns schon während der Schwangerschaft getroffen haben. Andererseits konnte sie mir durch ihre Professionalität und emotionale Distanz die Garantie geben, dass sie die Nerven nicht verlieren wird.» Bei einer besten Freundin sei das nicht sicher.

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