BundestagswahlSchweiz erwartet aus Berlin wenig Neues
Was ändert sich nach der Bundestagswahl in den Beziehungen Schweiz-Deutschland? Wenig, so der Tenor bei den Schweizer Parteien. In wirtschaftsnahen Kreisen erhofft man sich trotzdem leichte Vorteile mit einer Regierung von Union und FDP.
«Die von der deutschen FDP angestrebten Reformen würden den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken und sich damit auch positiv auf die Schweiz auswirken», sagt FDP-Generalsekretär Stefan Brupbacher: «Wir hoffen auf Schwarz-Gelb». Nach den Wahlen vom kommenden Sonntag sind gemäss jüngsten Umfragen und Verlautbarungen der Parteien zwei Optionen denkbar. Entweder die Union holt die FDP in die Regierung (Schwarz-Gelb), oder es bleibt bei der Grossen Koalition (Union-SPD).
Die FDP-Schweiz erwartet, dass sich mit einer Koalition von FDP und CDU/CSU «sowohl im Ton als auch in der Sache etwas ändern wird». Hoffnung macht man sich unter anderem, dass eine bürgerliche Regierung in Berlin die Forderung nach automatischem Informationsaustauch von Bankkundendaten nicht weiter forcieren wird. Die Schweizer Liberalen setzen auf die Unterstützung der Schwesterpartei für ihren Vorschlag, die Verrechnungssteuer auf Depotvermögen durch eine Quellensteuer mit Abgeltungscharakter zu ersetzen.
Damit würde automatisch ein genereller Abzug auf Finanzerträge deutscher Bürger in der Schweiz vorgenommen und den Steuerbehörden in Berlin überwiesen. Im Gegenzug wäre die Steuerpflicht erfüllt. Der Druck zur Übernahme des von der heutigen deutschen Regierung und der EU favorisierten automatischen Informationsaustausches würde damit abgeschwächt - das Bankgeheimnis gesichert.
«Verständnis für die Schweiz»
Nach den Attacken von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) dürfte insbesondere der Finanzplatz auf entspanntere Beziehungen zur neuen Regierung hoffen. Vertreter von Banken und Economiesuisse halten sich jedoch in der Öffentlichkeit mit ihren Präferenzen für den Urnengang bedeckt. Grundsätzlich äussere man sich nicht direkt zu ausländischen Wahlen, sagte der Sprecher der Bankiervereinigung, Thomas Sutter. «Wir erwarten von jeder Regierung Verständnis, Anstand und Fairness gegenüber der Position der Schweiz». Nicht nur der Tonfall müsse korrekt sein, man verlange Verständnis für die Entscheidungsprozesse in der Schweiz. «Auch Kleinstaaten haben das Recht, ihre Interessen durchzusetzen», sagte Sutter.
Auch die SVP hofft auf eine veränderte Gangart. Egal, wer am Sonntag in Berlin das Rennen mache: Die SVP erwarte von der neuen Regierung, dass sie «Recht vor Macht» gelten lasse, erklärte die stellvertretende Generalsekretärin Silvia Bär. Insbesondere im Kampf gegen die Steuerflucht seiner Bürger müsse sich Berlin an die Rechtsstaatlichkeit halten.
Keine Begeisterung für eine mögliche bürgerliche Mehrheit in Deutschland kann naturgemäss die SP aufbringen. «Gerade in der momentanen Wirtschaftskrise wäre eine schwarz-gelbe Koalition kein gutes Signal für die deutschen Arbeitnehmenden. Diese würden ihre Stimme in Berlin verlieren und wären dem streng bürgerlichen Regierungskurs ausgesetzt», heisst es in einer Stellungnahme der Partei.
Steinbrück falsch eingeschätzt
Nach Einschätzung der CVP wird die neue Regierung - egal welcher Couleur - die Steuerflucht weiter mit Nachdruck bekämpfen. Bei den Angriffen von Steinbrück auf die Schweiz habe es sich nicht um eine «persönliche Angelegenheit», sondern um eine «knallharte wirtschaftspolitische Aktion gegen den Finanzplatz» gehandelt, sagte CVP-Generalsekretär Tim Frey.
Der Bundesrat müsse in dieser Frage seine Hausaufgaben machen und künftig internationale Entwicklungen besser voraussehen und früher reagieren. Die Schweiz habe sich zu stark «auf den Ton statt auf die Sache konzentriert», kritisiert Frey: «Grundsätzlich wird die Wahl aber an den sehr guten Beziehungen zu Deutschland wenig ändern». (sda)