12 Punkte für Engelke: «Schweiz hat Chance für Kritik verpasst»

Aktualisiert

12 Punkte für Engelke«Schweiz hat Chance für Kritik verpasst»

Die deutsche Jury-Chefin Anke Engelke entpuppt sich als eigentlicher Star des Eurovision Song Contests. Für ihre politische Botschaft erntet sie auch in der Schweiz Beifall.

Jessica Pfister
von
Jessica Pfister

Quelle: Youtube

Würden beim Eurovision Song Contest auch Punkte für das politische Engagement verteilt, wäre das Verdikt klar: 12 Punkte für Anke Engelke aus Deutschland. Statt auf die Lobhudelei der anderen Ländern einzustimmen, nutzte die Moderatorin die wenigen Sekunden bei der Punktevergabe für eine charmant verpackte Kritik Richtung Aserbaidschan. «Heute Nacht konnte ja niemand für sein eigenes Land abstimmen. Aber es ist gut, abzustimmen, und es ist gut, eine Wahl zu haben», sagte Engelke in der Live-Schalte nach Baku und fügte mahnend an: «Viel Glück auf eurer Reise, Aserbaidschan. Europa behält euch im Auge.»

In Deutschland überschlagen sich seitdem die Zeitungen und Internetforen mit Komplimenten zu Engelkes Mut. So titelt der «Spiegel-Online» in Anspielung auf Engelkes frühere TV-Show «Danke Anke». Auch bei der ARD wurden Engelkes kritische Äusserungen begrüsst. «Wir sind das einzige Land gewesen, das in der Show etwas gesagt hat», sagte Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber gegenüber der Nachrichtenagentur dapd.

«Nicht mit Holzhammer einfahren»

Applaus für Engelkes Statements gibt es auch aus der Schweiz. Für Stella Jegher von Amnesty International Schweiz war die Kritik der deutschen Moderatorin perfekt formuliert. Im Zusammenhang mit einem Festakt könne man nicht mit dem Holzhammer einfahren. «Sie hat auf eine sehr subtile Art Parallelen zwischen dem Contest und der politischen Situation gezogen, das war beeindruckend.» Jegher bedauert es, dass die Schweiz diese Chance verpasst hat. «Die Schweiz hätte das Publikum auf eine ähnlich souveräne Art mit den Problemen in Aserbeidschan konfrontiert können.»

Doch davon war die Schweizer Moderatorin Sara Hildebrand am Samstag Abend weit entfernt. Statt Kritik schickte die «Glanz&Gloria»-Frau Handküsschen nach Baku. Laut Schweizer Fernsehen hat sie damit ihre Aufgabe korrekt erfüllt. «Die ESC-Shows sind reine Unterhaltungssendungen und eignen sich nicht für eine ausgewogene Berichterstattung zu politischen Themen», sagt SRF-Sprecher Bernard Strapp am Sonntag gegenüber 20 Minuten Online.

Deutschland weniger abhängig

Anderer Meinung ist der Schweizer Aussenpolitiker Geri Müller (Grüne). «Bei einem solchen Anlass vermischt sich Kultur und Politik automatisch», sagt Müller. So versuche jedes Land - ob nun Aserbeidschan mit dem Song Contest oder die Ukraine mit der EM - sich mit einer Veranstaltung positiv zu verkaufen um von den wahren Problemen abzurücken. Dass sich gerade Deutschland als einziges Land eine politischen Äusserung gewagt hat, überrascht Müller nicht. «Deutschland ist im Gegensatz zu anderen Ländern weniger abhängig von Aserbeidschan.» Für die Schweiz sei das Land in punkto Energieversorgung sehr wichtig. «Da diskutiert es sich weniger leicht über Menschenrechte.»

Zum Vergleich: Die Schweizer Präsentation mit Sara Hildebrand. Quelle: SF-Videoportal

05483b06-784c-4796-96b3-41d0dbdd9085

Deine Meinung