Schweizer Börse: Grösster Absturz seit Juli 2002

Aktualisiert

Schweizer Börse: Grösster Absturz seit Juli 2002

Panikverkäufe haben heute an den Börsen weltweit zu schweren Kurseinbrüchen geführt. An der Schweizer Börse stürzte der SMI vorübergehend um über 5,47 Prozent ab. Auch die Kurse an den übrigen Börsen in Europa und in Asien brachen stark ein. Analysten sprechen von «Ausnahmezustand».

Schwere Verluste mussten vor allem die Papiere von Banken und andere Finanztitel hinnehmen. Hier fürchten Investoren, dass Risiken aus der US-Finanzkrise noch nicht bekannt sind. Sie hegen laut Analysten zudem Bedenken, das von US-Präsident George W. Bush angekündigte Konjunkturprogramm könnte nicht ausreichen, um eine drohende Rezession in den USA abzuwenden.

Verzögerte Reaktion

Die Schweizer Börse verzeichnete einen schwarzen Wochenbeginn. Am frühen Nachmittag war der SMI um 5,47 Prozent eingebrochen. Um 1600 Uhr notierte der SMI 3,9 Prozent tiefer auf 7391,63 Zählern. Der breiter gefasste SPI sank 3,8 Prozent auf 6000,68 Stellen.

Zu den grössten Verlierern gehörten die Banken- und Versicherungswerte. Darunter fielen vor allem Swiss Re auf, deren Papier zeitweise um über 11 Prozent absackten.

Die Aktien der Grossbanken Credit Suisse und UBS notierten über fünf Prozent im Minus. Auch die Versicherungen Zurich, Helvetia, Balôise oder Swiss Life litten unter massiven Einbussen von bis zu gut sieben Prozent.

Noch deutlicher als in Zürich nach unten gerissen wurden die Kurse in Frankfurt, Paris und Madrid, wo die Leitindizes in der Spitze um mehr als sieben Prozent einbrachen.

Der deutsche DAX verzeichnete mit einem Kurseinbruch um zeitweise 7,54 Prozent den grössten Tagesverlust seit den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001.

Auch die Börsen in Japan, Australien und den wichtigen Schwellenländern Russland, China und Indien brachen stark ein. Die Weltbörsen reagierten damit nach dem Wochenende auch mit Verzögerung auf das Konjunkturprogramm, das US-Präsident Bush am Freitag angekündigt hatte.

Die US-Börsen hatten kurz nach der Ankündigung nur leicht nachgegeben und waren seitdem nicht mehr geöffnet. Am Montag blieb die US-Börse wegen eines Feiertags geschlossen.

«Irrationales Verhalten»

Analysten beurteilten den rasanten Absturz auch als Panik-Reaktion. Es handle sich um eine «typische Spirale nach unten», sagte der Analyst Werner Bader von der deutschen Bank LBBW. «Es wird nicht mehr nachgedacht.»

Die Reaktion sei nicht «rational». Weitere Kursverluste seien nicht auszuschliessen. «Wir sehen hier eine grosse Zahl von Panik-Verkäufen», sagte der Analyst Stuart Smith von Bell Potter Securities in Sydney. Am stärkten würden die Titel von Unternehmen verkauft, deren derzeitige Lage am unklarsten ist.

Öl günstiger

Auch der Ölpreis gab in der Folge der schweren Kurseinbrüche nach. Der Preis für ein Fass sank in New York unter 89 Dollar, in London unter 88 Dollar. Analysten zufolge fürchten die Händler wegen einer drohenden US-Rezession eine sinkende Nachfrage nach Öl. Vor wenigen Wochen hatte der Ölpreis in New York die 100-Dollar-Marke noch überschritten.

Analysten: «Wir sind im Auge des Orkans»

Die Gründe für die fallenden Kurse an der SWX am Montag erläutern Anleger mit einem Wort: Panik. Die Angst vor einer Rezession in den USA treibe die Anleger zu fast hysterischen Verkäufen.

«Wir sind im Auge des Orkans», umschreibt Michel Juvet von der Genfer Bank Bordier & Cie die Situation. «Ein Ausnahmezustand», nennt es auch Marc Schürer, Anlagestratege der Privatbank Clariden Leu.

Das am Freitag angekündigte Konjunkturpaket von Präsident Georg W. Bush vermag die Wogen nicht zu glätten. «Es ist, als wollten Anleger das Vorhaben abstrafen und zum Ausdruck bringen, dass sie nicht an seine positive Wirkung glauben», sagt Schürer.

Er geht davon aus, dass der Tiefpunkt nun erreicht ist. Die Stimmung könne schnell drehen - zum Beispiel hätten die Investitionspläne der Golfstaaten im Westen die Kurse sofort positiv beeinflusst.

Auch die Bank Vontobel sieht im momentanen Börsentreiben Rezessionsängste als treibende Kraft und mahnt Anleger zur Ruhe. «Wir empfehlen unseren Kunden momentan, keine Handlungen vorzunehmen», sagt Thomas Steinemann, Chefstratege der Vontobel-Gruppe.

Trauen Sie der Schweizer Börse noch?

Martha Etter (64), St.Gallen

Die Börse hat es nun mal an sich, turbulent zu sein. Ich habe bereits vor zwanzig Jahren spekuliert. Allerdings bin ich heute vorsichtiger. Bei der jetzigen Konstellation würde ich kein Geld einsetzen, das ich zum Leben brauche.

Ferdinand Ehrsan (71), Dornach SO

Ich besitze seit rund 20 Jahren Schweizer Aktien. Auf die stark fallenden Kurse reagiere ich nicht. Ich bin der Meinung, dass Abwarten die beste Lösung ist. Die bisherigen Tiefs gingen schliesslich alle irgendwann vorbei.

Fredi Löhrer (62), Münchenbuchsee BE

Ich habe weiterhin Vertrauen in die Börse. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es wieder aufwärts geht. Ich habe in Fonds, Aktien und strukturierte Produkte in-vestiert – mit genug Reserven – um die Baisse auszureiten.

Dario Grasso (20), Kriens LU

Ich habe sowohl in Aktien als auch in Obligationen investiert. Grundsätzlich traue ich der Börse noch und warte mit einem Verkauf der Wertpapiere zu. Noch mehr Aktien würde ich momentan aber nicht kaufen.

Susanna Solenthaler (43), Zürich

Auf keinen Fall verkaufe ich meine Aktien. Im Gegenteil: Ich werde jetzt noch einige dazu kaufen. Wer Aktien hat, weiss, dass er diese gerade in schlechten Zeiten behalten muss, auch wenn sie von Tag zu Tag weniger wert werden.

Grösster Absturz seit Juli 2002

Der Verlust von bis zu 5,47 Prozent beim Swiss Market Index (SMI) vom Montag an der Schweizer Börse SWX bedeutet den grössten Absturz des Blue-Chips-Indexes seit Juli 2002. Damals war der SMI am 19. und 22. Juli an zwei aufeinander folgenden Handelstagen bei Handelsschluss um 5,6 beziehungsweise 5,56 Prozent unter die Marke von 5.000 Punkten gefallen. Die Aktienmärkte wurden damals von der Milliardenpleite des US-Telekommunikationskonzerns WorldCom erschüttert. Es war die grösste Firmenpleite in der US-Geschichte; aus dem Zusammenbruch von WorldCom ging später das Unternehmen MCI Inc. hervor. Gerüchte über ungewöhnliche Bilanzierungsmethoden bei dem US-Medienriesen AOL Time Warner, enttäuschende Angaben von weiteren wichtigen US-Unternehmen, schwache Konjunkturdaten und der tiefe Dollar hatten damals den negativen Trend noch verstärkt. In der selben Juli-Woche vor sechs Jahren ging es aber auch wieder rasant in die andere Richtung: Der SMI machte am 25. Juli einen Sprung um 6,48 Prozent nach oben.

«Schwarzer Montag»

Am 19. Oktober 1987 hat der sogenannte «Schwarze Montag» für ein Börsenbeben rund um den Erdball gesorgt. Seinen Anfang nahm der Crash damals in New York: Der Dow-Jones-Index brach um 508 Punkte ein, ein Minus von 22,6 Prozent. Weltweit gingen daraufhin die Kurse auf Talfahrt. Hintergrund waren Differenzen zwischen den USA und Deutschland über die Zinspolitik der Bundesbank, ein Vertrauensverlust in den Dollar sowie Ängste vor einem Konflikt mit dem Iran. (AP)

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