Schweizer Dopingjäger im Cannabis-Sumpf
Jan Ullrich, Floyd Landis, Justin Gatlin - Dopingfälle haben diesen Sommer wieder Hochkonjunktur. Im Schweizer Sport hingegen müssen sich die Dopingjäger insbesondere mit harmlosen Kiffern auseinandersetzen.
Fast jedes zweite Dopingverfahren in der Schweiz betrifft einen kiffenden Spitzen- oder Freizeitsportler. Dabei hätten die Dopingfahnder zweifellos Wichtigeres zu tun, wie in diesem Sommer wieder einmal offensichtlich wurde.
Seit zwei Jahren ist Cannabis weltweit in allen Sportarten verboten. Bei 28 der 60 Schweizer Dopingfälle der letzten Jahre handelte es sich aber um Kiffer, die in der Kontrolle hängenblieben. Vereinzelt betrifft dies Spitzensportler (wie der noch bis Anfang November gesperrte Jan von Arx), meist aber Amateursportler, die einfach das Pech hatten, in der jeweils höchsten nationalen Liga zu spielen - und somit von Swiss Olympic kontrolliert zu werden. So sind überdurchschnittlich viele American Footballer und Billardspieler vom Cannabis-Verbot betroffen. Dass auch diese Freizeitsportler mit einer Busse (meist einige Hundert Franken) und einer achtmonatigen Sperre gebüsst werden, stösst vielen sauer auf. «Früher hiess es, mit Sport hole man die Jugendlichen von der Strasse», so ein Statement von einem Schweizer Footballklub, «heute schickt man die Jugendlichen auf die Strasse zurück, wenn sie am Wochenende mal eins gekifft haben.» Dass die Betroffenen dabei auch noch öffentlich an den Pranger gestellt werden (die Namen der Dopingsünder werden in den nationalen Medien bekannt gemacht) lässt viele Hobbysportler endgültig die Faust im Sack machen. Denn dass Cannabis beispielsweise im American Football - wo sechs Schweizer Spieler in den letzten drei Jahren überführt wurden - leistungsfördernd sein soll, glaubt mittlerweile niemand mehr. Trotzdem sind auch heute noch von vielen Dopingkontrolleuren Platitüden à la «Sportler nehmen keine Drogen!» zu hören.
Auch bei Swiss Olympic ist man sich der Cannabis-Problematik bewusst. Der Präsident der Disziplinarkammer, Gerhard Walter, weiss, dass es sich bei den «Gedopten» vorwiegend um Personen handelt, «die am Wochenende in den Ausgang gehen und unter anderem Haschisch konsumierten. Dann geht der Sportler oder die Sportlerin ein paar Tage später an einen Wettkampf und wird positiv getestet.» Die Freizeitkiffer mussten anschliessend wie alle «harten Fälle» im Haus des Sports in Bern zur mündlichen Verhandlung erscheinen, vor der Disziplinarkammer in dreiköpfiger Besetzung. Immerhin wurde dieses teure und aufwändige Vorgehen mittlerweile entschlackt. Neuerdings entscheidet nur noch ein Mitglied der Kammer und auf dem Schriftenweg. Die persönliche Anhörung der Dopingsünder fällt weg, diese dürfen sich schriftlich rechtfertigen. Noch lieber aber wäre den Dopingfahndern, wenn Haschisch international wieder den Status erhielte, den es vor 2004 hatte. Bis dahin wurde nach Sportart unterschieden, ob Cannabis auf die Dopingliste kam oder nicht. Der nationale Verband hat deshalb schon bei der internationalen Dopingagentur WADA versucht, Cannabis von der Dopingliste streichen zu lassen – ohne Erfolg.
Das Verfahren ist damit zwar einfacher geworden, für kiffende Sportler bleibt aber faktisch alles beim Alten. Wer erwischt wird, muss mit einer Sperre, einer Busse und einer öffentlichen Blossstellung rechnen.
(mat)