Rinspeed: Schweizer Firma tüftelt an fahrender Stube

Aktualisiert

RinspeedSchweizer Firma tüftelt an fahrender Stube

Das Auto der Zukunft braucht keinen Fahrer. Deshalb ist die neuste Entwicklung von Rinspeed eine Stube auf Rädern. Die Hersteller kämpfen um die Vorherrschaft beim autonomen Fahren.

S. Spaeth
Genf
von
S. Spaeth
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Genf

Wozu noch konzentriert auf die Strasse schauen? Oder mit dem Fuss aufs Bremspedal drücken? Zeit ist kostbar – und die im Strassenverkehr verbrauchte reine Verschwendung. Längst hat Google ein eigenständig fahrendes Auto entwickelt, doch da braucht es den Fahrer als Überwacher. «Ich will dem Lenkrad nicht stundenlang beim Drehen zuschauen», sagt Autoentwickler Frank M. Rinderknecht zu 20 Minuten. Mit seiner Firma Rinspeed entwickelt der Zürcher jedes Jahr einen sogenannten Concept Car.

In diesem Jahr zeigen die Tüftler von Rinspeed am Genfer Autosalon den XchangeE. Das Fahrzeug basiert auf einem elektrisch betriebenen Tesla und ist Wohnzimmer, Büro und Auto in einem. Bis auf die eingebaute mechanische Schweizer Uhr sind alle Anzeigen digital, die drehbaren Sessel erinnern an die Business Class einer Nobel-Airline: Mal Konferenzbestuhlung, mal sich ausgestreckt hinlegen und auf dem Bildschirm im Autoheck einen Film schauen – bei voller Fahrt. «In vier bis sechs Jahren sind die ersten autonomen Fahrzeuge marktreif», vermutet Rinderknecht.

Zürcher erfand die Lenkradtaste

In seiner Autostudie geht Rinderknecht einen Schritt weiter. Die Technik wird es richten, dass der Fahrer im Notfall ins Lenkrad eingreift, ist nicht vorgesehen. «Wir wollen die Querdenker sein und Trends auslösen», sagt der 58-Jährige. Die Spezialfahrzeuge, die Rinspeed zusammen mit einer ganzen Reihe von Technologiepartnern realisiert, müssen nicht rentieren, die Firma lebt vom Beratungsgeschäft.

Stört es ihn, wenn er von den traditionellen Autobauern auch mal als Verrückter bezeichnet wird? «Verrücken heisst auch bewegen», sagt Rinderknecht – und das wolle er. Der Entwickler sieht es als Lob, wenn die Branche Jahre später seine Ideen aufnimmt. So sei er Mitte der Achtzigerjahre der Erste gewesen, der Bedientasten in ein Lenkrad eingebaut habe. Nur liess sich die Idee nicht patentieren. «Ansonsten wäre ich jetzt wohl schwerreich und würde in der Karibik an der Sonne liegen», sagt Rinderknecht.

Wettrüsten von Mercedes, Volvo & Co

Bereits heute nutzen die grossen Hersteller Technologien, die Teile des autonomen Fahrens beinhalten und entwickeln ihre Systeme weiter. Noch heissen sie Einparkassistent, intelligenter Tempomat oder automatischer Abstandwarner. Das Fernziel ist klar, der technische Weg dahin besteht aus immer besseren Sensoren, Kameras, GPS-Sendern und mit Lasern gesteuerten Entfernungsmessern.

Bei Mercedes-Benz absolvierte ein «Intelligent Drive»-Modell des S500 bereits letzten Sommer eigenständig exakt jene hundert Kilometer lange Strecke, die die Gattin von Gründer Carl Benz 1888 in der ersten Fernfahrt zurückgelegt hatte. Volvo will autonomes Fahren 2017 auf den Strassen von Göteborg demonstrieren und auch Renault-Nissan führte bereits Tests mit Prototypen durch. «Wir glauben, dass autonomes Fahren bis 2020 Realität wird», sagt CEO Carlos Ghson.

Schritt zu mehr Sicherheit

«Noch hat keiner der grossen Konzerne die Leaderposition inne», sagt Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer zu 20 Minuten (Kurzinterview, siehe Box). Es gehe nicht unbedingt darum, der Erste zu sein, sondern der Zuverlässigste. «Autonome Fahrzeuge sind für uns ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum unfallfreien Fahren», zitiert das offizielle Magazin des Autosalons Mercedes-Benz-Chef Dieter Zetsche. Die Technologie werde den Komfort erhöhen.

Genau um diesen Komfort geht es dem Autoentwickler Rinderknecht. Noch nie habe einer der grossen Hersteller das Thema des autonomen Fahrens konsequent zu Ende gedacht, sagt der Zürcher. Er hat sich darum gefragt: Wie muss ein Auto gestaltet sein, damit der entlastete Fahrer die gewonnene Zeit richtig nutzen kann?

Herr Dudenhöffer*, wann werden die Fahrzeuge autonom unterwegs sein?

Im Jahr 2020 werden die Autobauer technisch so weit sein, wobei sich autonomes Fahren Schritt für Schritt entwickeln wird. Zu Beginn dürften die Systeme nur auf Autobahnen bei 80 km/h zum Einsatz kommen.

Wo sehen Sie Probleme?

Autonomes Fahren ist auch ein juristisches Thema. Noch ist das Verkehrsrecht nicht so weit. Es geht um Produktehaftpflicht, zudem stellen sich Fragen zur Datensicherheit. Nicht auszudenken, wenn Hacker die Lenkung von Autos übernehmen könnten.

Wo liegen die Vorteile?

In der Sicherheit, denn 99 Prozent der Unfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Zudem ist autonomes Fahren eine grosse Chance für Carsharing-Modelle. In zehn Jahren muss man nicht mehr zum Mobility-Fahrzeug gehen, es kommt einen abholen. (sas)

*Ferdinand Dudenhöffer ist Automobil-Professor an der Universität Duisburg-Essen

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