Japanisches Phänomen: Schweizer Jungs schotten sich ab

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Japanisches PhänomenSchweizer Jungs schotten sich ab

Kinderzimmer als Panic Rooms: Immer mehr Schweizer Jugendliche ziehen sich komplett zurück. Das Phänomen ist in Japan bereits bestens bekannt. Ein Experte versucht zu erklären.

L. Hanselmann
von
L. Hanselmann
Viele Hikikomori-Betroffene ziehen sich in ihr Zimmer zurück und verbringen den ganzen Tag vor dem Computer und dem TV.

Viele Hikikomori-Betroffene ziehen sich in ihr Zimmer zurück und verbringen den ganzen Tag vor dem Computer und dem TV.

Sie sperren sich monatelang in ihrem Zimmer ein, brechen alle Kontakte ab und gehen zum Teil nicht mal mehr auf die Toilette: Die Zivilisationskrankheit Hikikomori hat die Schweiz erreicht. 12 000 Jugendliche gehören hierzulande zu diesen Eremiten der Moderne, schreibt die «SonntagsZeitung». Es gebe keinen Experte, der nicht Dutzende Fälle kenne – etwa diesen von Eltern, die ihrem Kind sogar das Essen vors Zimmer stellen müssen.

Einen offiziellen Namen hat die Krankheit in der Schweiz noch nicht. Ganz anders in Japan: Dort leiden laut Schätzungen über einer Million Menschen an Hikikomori – 80 Prozent davon junge Männer. «Man kann den sozialen Rückzug der Jungs vergleichen mit der Magersucht bei den Mädchen», sagt die Genfer Psychiaterin Monique Gauthey. Betroffene gamen tagelang oder schauen nur noch TV. «In den schlimmsten Fällen werden sie apathisch und nutzen gar keine Medien.»

Depression oder Internetsucht

Laut Daniel Bindernagel, Leitender Arzt der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienste St. Gallen, leiden Betroffene oft entweder an psychischen Erkrankungen wie Depressionen und werden durch mehrere äussere Konflikte belastet. «Eine schlechte Prüfung oder die Scheidung der Eltern kann das Fass dann zum Überlaufen bringen.» Sich abzuschotten sei dann einfacher, als sich den Problemen zu stellen, ergänzt Franz Eidenbenz. Laut dem Psychologen mit Fachgebiet neue Medien hängt der totale Rückzug oft auch mit Internetsucht zusammen. «Dieses Phänomen wird mit der zunehmenden Bedeutung der neuen Medien noch zunehmen.»

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