Incel-ForenSchweizer Polizei kommt Frauenhassern im Netz auf die Spur
Sie werden immer mehr und immer radikaler: Die Incel-Szene wird von der Schweizer Polizei künftig genauer analysiert.
- von
- Karin Leuthold
Darum gehts
Incels sind heterosexuelle Männer, die unfreiwillig weder Sex noch eine Beziehung haben.
Sie geben emanzipierten Frauen die Schuld dafür.
Im Netz radikalisieren sie sich – die Polizei verfolgt das Phänomen.
Die Schweizer Incel-Szene wird seit dem 1. Januar genauer unter die Lupe genommen. Bund, Kantone, Städte und Gemeinden haben einen Aktionsplan zur Verhinderung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus lanciert. Einige Incel-Austauschforen in Europa seien aufgrund ihres Gefahrenpotenzials bereits gesperrt worden, teilten die Verfasser des Aktionsplans dem «Tages-Anzeiger» mit. Auch das Bundesamt für Polizei (Fedpol) verfolgt neuerdings das Phänomen der Incels.
«Incel» - ein Kofferwort aus «involuntary» (unfreiwillig) und «celibate» (zölibatär) - ist eine in den USA entstandene Internet-Subkultur von heterosexuellen Männern, die nach Eigenaussage unfreiwillig keinen Geschlechtsverkehr bzw. keine romantische Beziehung haben und der Ideologie einer hegemonialen Männlichkeit anhängen.
«Die Incels geben der Emanzipation die Schuld daran, dass sie nicht die Frauen bekommen, die ihnen aus ihrer Sicht zustehen», erklärt Markus Theunert, Leiter des Dachverbands Schweizer Männer- und Väterorganisationen (Männer.ch). Die Anhänger dieser Bewegung propagieren Frauenfeindlichkeit in Verbindung mit Gewaltfantasien. Von Incels ausgedrückte Überzeugungen sind geprägt von Misogynie, dem Anspruch, ein Recht auf Sex zu haben, Selbstmitleid und der Billigung und Anwendung von Gewalt gegen Frauen und gegen sexuell aktive Männer.
Incel-Ton wird radikaler
Der Computer- und Kommunikationswissenschaftler Manoel Horta Ribeiro von der ETH Lausanne hat mit seinem Team 28 Millionen Einträge untersucht, die zwischen 2005 und 2019 weltweit in frauenfeindlichen Foren veröffentlicht wurden. Wie gross die Incel-Bewegung in der Schweiz sei, kann der Forscher nicht sagen. Viele der Teilnehmer kommunizieren auf Englisch, verstecken sich hinter Tarnnamen. Klar sei aber, dass die Szene weltweit wachse und ihr Ton radikaler werde, sagt Horta Ribeiro zum «Tages-Anzeiger».
Der Wissenschaftler zeigt mit einem echten Eintrag in einem Schweizer Forum, wie sich Selbstmitleid und Aggression im Weltbild dieser Männer vermischen. Vergangenen September wandte sich ein Mitglied an die Community, nachdem ihn eine Frau an einer Schweizer Uni angesprochen hatte. «Das ist mir noch nie passiert. Super positiv, immer lächelnd, ziemlich anhänglich. Die ersten zwei Tage sprachen wir normal, und heute erwähnt sie fünfmal, dass sie einen Freund hat. Soll ich aufhören, mit ihr zu sprechen?», fragte er.
Ein weiteres Mitglied antwortete: «Sprich nicht zurück. Schau sie nicht an. Wie ein Chad. Wenn sie anhänglich wird, ergreife sie, schnüffle an ihr, drücke sie an die Wand und mach mit ihr rum, dann schlag zu.» Ein Chad ist in der Szene ein besonders attraktiver Mann, der auch Alpha-Mann genannt wird.
Incels weltweit radikalisieren sich laut Fedpol im Internet «mit teilweise tragischen Folgen und wenig logistischem Aufwand». Die Bewegung stellt eine Bedrohung für die innere Sicherheit Europas dar. Die Schweizer Behörde will nun ihre Polizeikorps für dieses Phänomen sensibilisieren, um potenziell gefährliche Personen besser zu erkennen.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen
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