Schweizer zahlen viel zu viel Miete
Zwischen den Verbänden von Mietern und Hauseigentümern ist ein neuer Streit um die Folgen der Koppelung von Hypothekar- und Mietzins entbrannt. Während der Mieterverband zu hohe Mieten anprangert, spricht der Hauseigentümerverband von einem «Ammenmärchen».
Die Mieten müssten zehn Prozent tiefer sein, wenn sie sich nach den im Gesetz vorgesehenen Kostenfaktoren entwickelten. Zu diesem Schluss kommt die im Auftrag des Mieterverbandes vom Büro für Arbeits- und Sozialpolitische Studien (BASS) erstellte Studie. Die Verfasser errechneten laut Mitteilung vom Dienstag, dass die Mieten gemäss den im Mietrecht vorgesehenen Kostenfaktoren seit 1989 um rund zehn Prozent hätten steigen sollen. Tatsächlich habe der Anstieg aber rund 47 Prozent betragen. Als Kostenfaktoren berücksichtigten die Autoren der Studie neben der Hypothekarzinsentwicklung und der Inflation auch die Mehrleistungen von Vermietern und die Unterhaltskosten.
Die daraus resultierende Umverteilung beträgt seit 1989 46 Milliarden Franken - oder 124 Franken pro Haushalt und Monat - welche die Vermieter demnach zu viel einkassiert hätten. Gemäss der Studie trieb der steigende Hypothekarzins die Mieten vor allem Anfang der 90-er Jahre massiv in die Höhe. Danach sanken die Zinsen, die Mieten stiegen aber trotzdem weiter an. Laut Mieterverband werden Hypothekarzinserhöhungen schnell auf die Mieter abgewälzt, Senkungen dagegen würden selten und unvollständig zurückgegeben.
Die Studie bezog auch Mehrleistungen der Vermieter ein. Mit umfassenden Sanierungen sei die Entwicklung des Mietzinses nur bedingt erklärbar. Berücksichtigt wurde eine Mietzinserhöhung aller Wohnungen von 0,5 Prozent pro Jahr auf Grund von grösseren Wohnungen, höherem Komfort oder anderer Mehrleistungen der Vermieter.
Die Autoren der Studie heben hervor, dass fast jeder dritte Neumieter eine höhere Miete bezahlen muss als sein Vorgänger. Da in der Schweiz durchschnittlich alle sechs Jahre die Wohnung gewechselt wird, wirken sich diese Aufschläge stark mietzinstreibend aus, wie der Mieterverband schreibt.
Die hohen Mieten und die Umverteilung zwischen Mietenden und Vermietern liessen sich nur stoppen, wenn der Mietzins von der Hypothekarzinsentwicklung abgekoppelt und eine Indexmiete eingeführt werde, schreibt der Mieterverband in der Mitteilung.
Der Hauseigentümerverband (HEV) Schweiz reagierte umgehend. Er bezeichnete die Resultate der Studie als «Ammenmärchen». Sie beruhe auf falschen Annahmen. Wichtige Kostenfaktoren seien nicht berücksichtigt worden, heisst es in einer Mitteilung. So fehlten effektiv erfolgte Investitionen in den einzelnen Jahren vollständig. In dem von der Studie untersuchten Zeitraum beliefen sich allein die Kosten für baubewilligungspflichtige Umbauprojekte auf rund 72 Milliarden Franken. Im Übrigen seien Mieter hinlänglich geschützt, und gemäss einer Studie des GFS-Forschungsinstituts seien 90 Prozent der Mieter mit ihrer Mietsituation zufrieden. (dapd)