Sex und Politik: Chinesischer Liebesfilm zensuriert

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Sex und Politik: Chinesischer Liebesfilm zensuriert

Während der Festivalzirkus auf den Strassen von Cannes langsam in Gang kommt, beherrschte Politik den Auftakt des Wettbewerbs. Ohne offizielle Freigabe durch die chinesische Zensurbehörde lief am Donnerstag der chinesische Beitrag «Summer Palace».

Noch ist unklar, ob der Film nachträglich aus der Konkurrenz um die Goldene Palme genommen werden muss. «Ich war so in den Film vertieft, dass ich die Zensur ganz vergessen habe», erklärte der junge Regisseur Lou Ye der Presse. «Nun suchen wir nach Lösungen.»

«Summer Palace» ist kein explizit politischer Film, sondern eine moderne Liebesgeschichte. Die ist allerdings intensiv eingebettet in die politische Aufbruchzeit des Jahres 1989. Das Massaker auf dem Tian'anmen-Platz im Juni 1989 wird zwar nicht erwähnt, die Bezüge auf das gewaltsame Ende der Studentenunruhen in Peking sind aber deutlich. Zwei Produzenten des Films seien nicht mit nach Cannes gekommen, um in China noch über die Freigabe zu verhandeln, sagte Lou Ye. Die Quittung für die Präsentation im Ausland sei möglicherweise das Verbot des Films in China, spekulierte der «Hollywood Reporter».

Die Zensoren hätten Probleme sowohl mit den politischen Bezügen als auch mit den ausführlichen freizügigen Sex-Szenen seines Werks. «Ich würde alles dafür tun, dass der Film in China gezeigt werden darf», betonte der Regisseur. «Ich wäre auch damit einverstanden, alle Sex-Szenen herauszuschneiden.»

«Summer Palace» erzählt trotz einiger Längen eine faszinierende Geschichte aus China zwischen der Öffnung nach Westen und staatlicher Repression, wie man sie so bisher nicht gesehen hat. «Ich war 1989 als Student in Peking und ich war verliebt», erklärte der 1965 in Schanghai geborene Filmemacher den autobiografischen Hintergrund. Die Proteste für mehr Demokratie in China, die Perestroika in der damaligen Sowjetunion, der Fall der Mauer in Berlin: All das beeinflusst in seinem Werk die Gefühle und das Leben der Liebenden sehr direkt.

Die Handlung beginnt wenige Monate vor der brutalen Zerschlagung der Demonstrationen auf dem Tian'anmen-Platz, wo einige hundert Menschen getötet wurden. Romantik, Begehren, Euphorie und Depression der Liebenden haben in dieser Aufbruchstimmung nichts mehr von fernöstlicher Strenge. Die Studenten in Peking tanzen zu Disco-Musik und wagen sexuelle Experimente, üben sich in radikaler Offenheit und verlieren sich in verwirrten Gefühlen. Mit den Ereignissen auf dem Tian'anmen-Platz verändert sich nicht nur die allgemeine Stimmung. Die Liebenden trennen sich. Der Mann geht nach Berlin und erlebt dort den Fall der Mauer. Die junge Frau zieht sich verzweifelt zurück in die chinesische Provinz, wo sie aber weiterhin ihren neuen Idealen nachhängt und von ihrer romantischen Liebe träumt.

Ganz ohne Zwang durch Zensoren kann der britische Sozialist Ken Loach seit Jahrzehnten seine sozialkritischen Dramen drehen. Er zeigte im Wettbewerb «The Wind That Shakes The Barley» (Der Wind, der die Gerste schüttelt). Sein Thema ist diesmal Irland in jener historischen Phase um 1920, die für Loach der «Ursprung dafür ist, dass die Iren nicht damit aufhören können, sich gegenseitig zu bekämpfen». Nach langem Kampf um Unabhängigkeit von den englischen Besatzern stimmten die Iren mehrheitlich für einen Kompromiss über den Abzug der Briten. Doch die zugesicherten Freiräume waren für etliche Kämpfer zu klein: Ein Bürgerkrieg begann, den Loach als klassischen Bruderzwist hoch dramatisch inszeniert.

(sda)

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