Nach Läster-Panne«Sexistisch und verwerflich» – HSG-Professorinnen ernten harsche Kritik
Ein privates Gespräch zweier Professorinnen über ihre Studierenden sorgt für Empörung. Die Äusserungen könnten das Verhältnis zwischen Studierenden und Dozierenden beeinträchtigen, kritisieren Fachleute.
Darum gehts
Sexismus-Skandal an der HSG: Zwei Professorinnen der Universität St. Gallen vergassen nach einer Online-Vorlesung die Aufnahme zu stoppen. Im privaten Gespräch bezeichneten sie einen Studenten als «Herzchen» und schilderten ihre Beobachtung, dass die männlichen Studenten in der Vorlesung viel interessierter schienen. Dabei fiel die Aussage: «Ja, die Frauen sind komplett verloren.» Vor allem unter den Studentinnen sorgten die Aufnahmen für Empörung.
Ein solcher Vorfall könne das Verhältnis zwischen Studierenden und Dozierenden beeinträchtigen, sagt Richard Kohler, Geschäftsführer von Swissfaculty, der Konferenz für Hochschuldozierende Schweiz. «Im beruflichen Umfeld sollte man sich der möglichen Betroffenheit unerwarteter Zeugen bewusst sein. Insofern war das Verhalten der Dozierenden unprofessionell.»
Bewertung der Geschlechter sei problematisch
Persönlich herabsetzende Aussagen seien unzulässig, Gespräche über den – auch ungenügenden – Kompetenzstand oder etwa die Motivation von Studierenden gehörten aber zum Alltag, sagt Kohler. «Wir glauben nicht, dass im vorliegenden Fall eine Absicht der persönlichen Herabsetzung bestand, erachten aber die Bewertung der Geschlechter als problematisch.»
In der patriarchalischen Gesellschaft, in der wir leben, sei die Abwertung von Frauen ein allgegenwärtiges Thema, sagt Juristin und Organisationsberaterin Zita Küng. Sie ist Geschäftsführerin der feministischen Fakultät, Gründerin und Inhaberin des Beratungsunternehmens «EQuality». «Gewöhnlicherweise sind es Männer, die Frauen bewerten – nicht umgekehrt.» Geschehe das in einer abwertenden Art, handle es sich um Sexismus. «Daran sind wir gewöhnt, es ist aber skandalös», sagt Küng. Dass jetzt zwei Professorinnen andere Personen aufgrund des Geschlechts bewerteten, sei «ebenso sexistisch und verwerflich.»
«Herzchen» als Grenzfall
Die Frauen hätten ihren Auftrag als Lehrbeauftragte nicht wahrgenommen, so Küng. «In einer Ausbildungsstätte muss jede Lehrperson den Studierenden Wertschätzung entgegenbringen und nicht aufgrund des Geschlechts oder Aussehens über sie urteilen.» Pädagogisch hätten die Professorinnen klar ein falsches Verhalten an den Tag gelegt. «Dass das den betroffenen Studentinnen weh tut, verstehe ich.»
Der Vorfall sei «schampar unprofessionell», sagt Markus Theunert, Gesamtleiter des Dachverbands Schweizer Männer- und Väterorganisationen. Hingegen meint er, dass der Fall aus seiner Sicht «kein Drama» darstellt. Wenn es aber zu klaren Objektivierungen, Sexualisierungen oder gar Abwertungen komme, sei definitiv eine Grenze zu ziehen. «Einen Studenten als ‹Herzchen› zu bezeichnen, ist ein Grenzfall», so Theunert.
«Internalisierten Sexismus muss man erkennen lernen»
Natürlich sei ein solcher Vorfall sehr unglücklich, sagt auch Anna Miotto, Präsidentin der Juso St. Gallen. «Der Kommentar, dass die Studentinnen in der Vorlesung ‹verloren› wirken, ist eine Erkenntnis, die stimmen mag», so Miotto. In vielen Vorlesungen würden sich Frauen weniger häufig melden als Männer. Studentinnen seien jedoch nicht weniger kompetent oder interessiert, sondern würden sich nicht trauen, sich zu melden. «Dies hat damit zu tun, dass Frauen in unserer Gesellschaft beigebracht wird, dass sie weniger kompetent wären als Männer.»
Frauen würde aber auch beigebracht, dass sie gegen andere Frauen um Männer konkurrieren müssten, so Miotto: «Diesen internalisierten Sexismus muss man erkennen lernen. Es ist also ein Skandal, dass Frauen so über andere Frauen sprechen – aber nicht, weil Frauen dies tun, sondern aufgrund des Patriarchats.»