Syphilis, Tripper & Co.Sexuell übertragbare Krankheiten – neue Pille danach schützt vor Infektion
Eine Pille danach, die vor der Ansteckung mit sexuell übertragbare Krankheiten schützt? Die gibt es bereits, doch es gibt ein grosses Aber.
Darum gehts
Ein Einmal-Antibiotikum kann die Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten verringern.
Zwei Drittel der Infektionen könnten verhindert werden, wie eine Studie zeigt.
Aus Forschendensicht sollte es jedoch sparsam eingesetzt werden.
Ein Antibiotikum, das einmalig als «Pille danach» eingenommen wird, kann die Ansteckung mit bakteriellen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis, Tripper oder Chlamydien deutlich verringern. Wenn die Pille binnen 72 Stunden nach dem ungeschützten Sex eingenommen wird, können rund zwei Drittel der Infektionen verhindert werden: Dies ist das Ergebnis einer im «New England Journal Of Medicine» veröffentlichten internationalen Studie mit Beteiligung deutscher Forschender.
In der Studie eingeschlossen waren Männer, die Sex mit Männern haben, sowie trans Frauen, die eine Prophylaxe gegen das HI-Virus einnehmen oder bereits mit einer HIV-Infektion leben. Alle Probanden hatten im Jahr vor Studienbeginn eine Infektion mit einer sexuell übertragbaren Krankheit durchgemacht. Im Schnitt nahmen die Teilnehmer während der Studie das Antibiotikum Doxycyclin vier Mal pro Monat ein. Das Präparat wird auch zur Behandlung einer durch Zecken ausgelösten Neoehrlichiose eingesetzt.
Keine generelle Empfehlung
Patienten, die eine HIV-Prophylaxe einnehmen, hätten häufig ungeschützten Sex, erklärte Georg Stary vom Institut für Dermatologie an der Universität Wien. Ein Teil davon stecke sich mit vielen sexuell übertragbaren Krankheiten an. Steckten sich in dieser Gruppe aufgrund der Einnahme von Doxycyclin weniger Menschen mit Syphilis, Tripper oder Chlamydien an, seien insgesamt weniger sexuell übertragbare Krankheiten im Umlauf. «Dementsprechend werden unter Umständen auch diejenigen geschützt, die das Medikament nicht prophylaktisch einnehmen», erklärte er weiter.
«Besorgniserregend ist, dass es zu vermehrten Resistenzen bei Gonokokken kam. Während bei Chlamydien und Syphilis wenig Resistenzen auftreten, ist das bei Gonokokken ein grosses Problem.»
Allerdings müssten Antibiotika-Resistenzen bedacht werden. «Besorgniserregend ist, dass es zu vermehrten Resistenzen bei Gonokokken kam. Während bei Chlamydien und Syphilis wenig Resistenzen auftreten, ist das bei Gonokokken ein grosses Problem», so Stary. Daher könne die Anwendung nicht generell empfohlen werden. Wenn überhaupt, sei sie nur für eine selektive Gruppe sinnvoll.
Auch sei eine längerfristige Einnahme nicht zu empfehlen. «Man muss davon ausgehen, dass es eine deutliche Veränderung des Mikrobioms geben wird und bei langer Anwendung auch vermehrt Nebenwirkungen auftreten werden», erklärte Norbert Brockmeyer vom Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin am Katholischen Klinikum Bochum. Zudem seien Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit des Mannes und auf die Entzündungsreaktion zu erwarten.»
Abgabe der klassischen Pille danach wird diskutiert
Nicht ganz unumstritten ist auch die klassische Pille danach, die in den Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eine Schwangerschaft verhindert (siehe Box). Vor allem die Art des Vorgehens bei der Abgabe des Präparats wurde in den letzten Monaten in der Schweiz heftig diskutiert. Bislang ist es so, dass diejenige, die die Pille danach braucht, zur Apotheke geht. Dort findet ein Beratungsgespräch statt und ein Abgabeformular wird ausgefüllt. Geht es aber nach Swissmedic, sollte sich das bald ändern. Sie wollen die Richtlinien verschärfen: Die Pille danach soll verschreibungspflichtig werden.
Es gibt zwei Arten der klassischen Pille danach zur Verhinderung einer Schwangerschaft – so unterscheiden sie sich
Präparate mit dem Wirkstoff Levonorgestrel sind für die Einnahme bis maximal drei Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr zugelassen und sollten spätestens etwa zwei Tage vor dem Eisprung zu sich genommen werden. Die Pille danach mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat kann bis zu fünf Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen werden, aber spätestens am Vortag des Eisprungs. Sie wirke stärker und könne stärkere Nebenwirkungen hervorrufen.
Durch die Einnahme des Levonorgestrel wird dem Körper eine Schwangerschaft vorgetäuscht und der Hirnanhangdrüse, die den weiblichen Zyklus steuert, signalisiert, dass in diesem Zyklus kein weiterer Eisprung und keine neue Monatsblutung eingeleitet werden sollen. Weiter bremst es den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut und verhindert dadurch das Einnisten einer Eizelle.
Ulipristalacetat hemmt oder verzögert den Eisprung durch Unterdrückung des Anstiegs des lutenisierenden Hormon (LH). Zu diesem kommt es normalerweise jeweils rund zwei Tage vor dem Eisprung. Ist ein gewisser Wert erreicht, löst das LH den Einsprung aus. Das Ulipristalacetat verhindert, dass es dazu kommt und verhindert so die unerwünschte Schwangerschaft. In niedrigerer Dosisstärke wird es übrigens auch zur Behandlung von gutartigen Tumoren der Gebärmutter verwendet.
Andere Länder gehen punkto Verhütung von ungewollten Schwangerschaften pragmatisch vor. In Frankreich etwa sind Verhütungsmittel für 18- bis 25-Jährige kostenlos. In der Schweiz wurden bisher alle Vorstösse dazu abgelehnt.
Pille danach macht nicht unfruchtbar und weitere Falschbehauptungen
Im Zuge der Diskussion über die zukünftige Handhabe wurden Behauptungen laut, wonach Frauen, die einmal ein sogenanntes Notfallkontrazeptivum eingenommen haben, später unfruchtbar sein sollen. «Kenne einige, die das gemacht haben und mindestens vier von fünf wollten später ein Kind, und es klappte nicht mehr», schrieb etwa 20-Minuten-User 5tron5. Doch laut Cristian Bronz, Oberarzt Gynäkologie um Universitätsspital Zürich muss die ungewollte Kinderlosigkeit eine andere Ursache haben: «Die ‹Pille danach› macht ganz sicher nicht unfruchtbar.»
Als falsch entpuppten sich bei genauerem Hinsehen auch die Behauptung, dass in Schwangerschaftstests der Marke Clearblue eine ganz besondere Pille danach versteckt sei: die Plan-B-Abtreibungspille. Verbreitet wird das Gerücht unter anderem auf Facebook und Tiktok unter dem Hashtag #PlanBinClearBlueTest. Zwar steckt in den Tests tatsächlich eine Tablette, doch die dient dazu, den Schwangerschaftstest während der Lagerung trocken und damit funktionsfähig zu halten.
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