Notfallpatienten«Sie kommen erst, wenn es zu spät ist»
Wegen Corona gehen Menschen mit anderen Leiden seltener zum Arzt. Spitäler appellieren nun: Man müsse alle Krankheiten ernst nehmen, um bleibende Schäden zu verhindern.
- von
- jas
«Es ist einfach wichtig, dass Sie zum Arzt gehen und nicht daheim bleiben, wenn es Ihrem Kind nicht gut geht», sagt Georg Staubli, Leiter der Notfallstation vom Kinderspital Zürich in einem Video, das auf der Website der Kispi zu finden ist. Schon bei der Pressekonferenz von Samstag betonte Daniel Koch vom BAG, man müsse auch andere Krankheiten als Corona ernst nehmen. Besonders Eltern zögerten nun zu lange, ihre Kinder ins Spital zu bringen.
Wer sich Sorgen mache, dass sich das Kind mit Corona infiziert hat, wird zu einem gesonderten Eingang im Spital verwiesen, so Staubli vom Kispi Zürich. Angst vor einer Coronainfektion des Kindes im Spital müsse man aber nicht haben. «Das Kind steckt sich bei uns nicht an», versichert der Notfallarzt. Daher sollen Eltern umgehend einen Kinderarzt oder eine Notfallstation aufsuchen, wenn das Kind sich unwohl fühle oder Hilfe braucht.
Kinder treffen erst in schlechtem Zustand ein
Maren Tomaske, Chefärztin der Kinderklinik Stadtspital Waid und Triemli verzeichnet auch eine deutliche Abnahme der Notfallkonsultationen. «Wir haben grosse Sorge und beobachten bereits, dass sich die Eltern mit ihren Kindern relativ spät bei uns vorstellen. Vor allem kleine Kinder treffen erst in relativ schlechtem Zustand bei uns ein.» Dies betreffe sowohl Atemwegsinfektionen mit im Kindesalter rasch zunehmender Einengung der Atemwegen, als auch Verletzungen oder vermeintlich «anhaltende» Schmerzen, deren Ursache gravierend sein kann. «Neben dem neuen Corona-Virus gibt es weiterhin eine Reihe von Erkrankungen, die für die Kinder potentiell gefährlich sein können und nicht verpasst werden dürfen», so die Chefärtzin.
Weniger Alkoholvergiftungen und Sportverletzungen
Die Notfallstation des Stadtspitals Waid und Triemli werde derzeit weniger von Notfällen wie Alkoholvergiftungen, Sportverletzungen oder Bagatellbeschwerden aufgesucht. «Dies hat sicher auch damit zu tun, dass wegen dem Lockdown einige Sportarten momentan nicht praktiziert werden können und die Gastronomie- und Partyszene stillgelegt sind», sagt Mediensprecherin Maria Rodriguez.
Ernstzunehmende Reduktion bei Notfällen
Die Schweizerische Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin teilt mit, es gebe rund einen Drittel weniger Notfallpatienten als vor der Pandemie. Das Universitätsspital Basel bestätigt, dass es eine «deutliche und ernst zu nehmende Reduktion bei Notfällen» gäbe, so Mediensprecher Nicolas Drechsler. «Insbesondere bei jenen, die wegen Verdachts auf Herzinfarkt oder eines Schlaganfalls zu uns kommen, sind die Zahlen deutlich rückläufig.»
Die Patienten suchten das Spital häufig später auf. «Manchmal zu spät», so Drechsler. Bei plötzlichen Funktionsausfällen und Thoraxschmerzen solle man sofort auf den Notfall. Es gäbe keinen Grund, das Spital zu meiden, wenn man Hilfe brauche, betont der Mediensprecher des Universitätsspital Basel.
Alle Altersgruppen
Auch beim Instelspital Bern kam es in letzter Zeit zu einer deutlichen Abnahme von Notfällen in allen Altersgruppen. «Es ist festzustellen, dass weniger Patienten mit Herz-, Hirn und Bauchproblemen sowie Infektionen die Notfallstationen besuchen», so Mediensprecher Alex Josty.