Drei Klimajugendliche wegen «Aufruf zu Ungehorsam» verurteilt

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SchweizSie riefen zu Armeeboykott auf – drei Klimaaktivisten kassieren Geldstrafe

Drei Klimaaktivisten erhalten Geldstrafen, weil sie zur Verweigerung der Dienstpflicht aufgerufen hatten. Der Fall könnte vor dem Bundesstrafgericht landen.

von
Reto Bollmann
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Im Internet riefen drei Jugendliche zum Boykott des Militärdiensts auf.

Im Internet riefen drei Jugendliche zum Boykott des Militärdiensts auf.

Tamedia AG
Die Botschaft hatte den Nationalrat Jean-Luc Addor (SVP/VS) auf den Plan gerufen, der den Fall im Parlament in Bern ansprach und später bei der Bundesanwaltschaft zur Anzeige brachte.

Die Botschaft hatte den Nationalrat Jean-Luc Addor (SVP/VS) auf den Plan gerufen, der den Fall im Parlament in Bern ansprach und später bei der Bundesanwaltschaft zur Anzeige brachte.

Parlament.ch
Die Bundesanwaltschaft hat die drei  Aktivisten des Klimastreiks jetzt zu Geldstrafen verurteilt.

Die Bundesanwaltschaft hat die drei  Aktivisten des Klimastreiks jetzt zu Geldstrafen verurteilt.

20min/Taddeo Cerletti

Darum gehts

  • Drei Jugendliche, die Teil des Kollektivs «Klimastreik» sind, riefen im Internet dazu auf, den Zivildienst dem Militärdienst vorzuziehen.

  • Die Bundesanwaltschaft ermittelte wegen Aufrufs zum Ungehorsam.

  • Nun sind die drei zu Geldstrafen verurteilt worden, möchten gegen das Urteil jedoch Berufung einlegen.

Die Bundesanwaltschaft hat drei  Klimastreik-Aktivisten verurteilt, die dazu aufgerufen hatten, nicht in die Armee einzutreten. In seinem Strafbefehl vom 9. Dezember 2022 befand Staatsanwalt Marco Renna sie der Provokation und der Anstiftung zur Verletzung der Wehrpflicht für schuldig. Das Strafmass umfasst Tagessätze auf Bewährung und eine Geldstrafe – wobei die Beträge von einigen Hundert Franken je nach Einkommen variieren – sowie die Zahlung der Verfahrenskosten.

«Alles an diesem Fall ist unverhältnismässig», kritisiert David Raedler, Anwalt eines der bestraften Aktivisten. Zunächst hätte die Bundesanwaltschaft «niemals eine Strafuntersuchung zu einem Sachverhalt eröffnen dürfen, der unter die Meinungsfreiheit fällt». Auch die eingesetzten umfangreichen polizeilichen Mittel, darunter Hausdurchsuchungen, Verhöre und Beschlagnahmungen, seien unverhältnismässig gewesen. «Schliesslich beweist auch die Kürze des Gerichtsentscheids – der Text umfasst weniger als eine Seite –, dass das Urteil unausgewogen und im Grunde genommen gegenstandslos ist», so Raedler weiter.

Aufforderung zur Zivildienstleistung

Die Bewegung «Klimastreik» hatte im Mai 2020 im Internet einen Aufruf zur Dienstverweigerung verbreitet. Der Text mit dem Titel «Die Armee boykottiere ich», der bis heute online ist, fordert die Bevölkerung auf, Zivildienst zu leisten, und verlangte die Abschaffung der Armee zugunsten von Umweltprojekten. Die Botschaft hatte den Nationalrat Jean-Luc Addor (SVP/VS) auf den Plan gerufen, der den Fall im Parlament in Bern ansprach und später bei der Bundesanwaltschaft zur Anzeige brachte.

Findest du die Strafe aufgrund des Aufrufs gerechtfertigt?

Die Bundesanwaltschaft hatte nach Ermächtigung durch den Bundesrat eine Untersuchung eingeleitet, um herauszufinden, wer innerhalb der Organisation an der Verbreitung dieser Aufforderung beteiligt gewesen war. Zu diesem Zweck hatte die Justiz drei verdächtige Jugendliche (geboren zwischen 1990 und 2001) beobachten lassen, die mit dem Klimastreik sympathisierten. Die Polizei war beispielsweise im Morgengrauen in grosser Zahl vor den Häusern der Aktivisten erschienen. Dieser Druck war in der Presse angeprangert worden.

Klage vor Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte

Auch eine vierte Person war zeitweise ins Visier der Ermittler geraten. Diese Person ist mittlerweile aus dem Verfahren ausgeschieden und macht aktuell ihre Rechte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geltend, der den Eingang ihrer Klage bestätigt hat.

«Der Staat hat die Vereinigungs- und Meinungsfreiheit sowie das Recht auf Achtung des Privatlebens meines Mandanten verletzt», erklärt Gaspard Genton, der Anwalt der vierten Person. Die Bundesanwaltschaft ihrerseits bestätigt, dass die drei Betroffenen gegen ihre Verurteilung Berufung eingelegt haben. Aufgrund des noch laufenden Verfahrens möchte sie sich jedoch aktuell nicht weiter dazu äussern.

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