Brokefishing «Sie verschwinden aufs Klo, sobald die Rechnung kommt»
Viele Leserinnen und Leser haben schon erlebt, dass jemand aus ihrem Freundeskreis sich immer einladen lässt, obwohl sie dies finanziell nicht nötig hätte. Ein Experte ordnet das Phänomen «Brokefishing» ein.


- von
- Deborah Gonzalez ,
- Gabriela Graber
Darum gehts
«Brokefishing» bedeutet, dass sich eine Person als hilfsbedürftig hinstellt, obwohl das nicht unbedingt der Fall ist.
Leserinnen und Leser erzählen, wie ihre Freundinnen und Freunde ihnen auf der Tasche liegen.
Wieso manche Menschen sich immer wieder einladen lassen, erklärt Therapeut Felix Hof.
Wer kennt sie nicht, die unangenehme Stille, wenn es darum geht, wer in einer Bar oder einem Restaurant die Rechnung bezahlen soll. Noch ungemütlicher wird es aber dann, wenn dieses Szenario immer mit der gleichen Freundin oder dem gleichen Freund passiert. Denn: Diese Person lässt immer für sich bezahlen. Dieses Verhalten hat einen Namen: Brokefishing. Sucht man nach der Definition, heisst es: «Brokefishing» bedeutet, dass sich eine Person als hilfsbedürftig hinstellt, obwohl sie das gar nicht ist.
Auch die 20-Minuten-Community hat Personen in ihrem Umfeld, die sich immer davor drücken, einen Beitrag an das gemeinsame Essen beizusteuern:
«Ich bezahle meistens, obwohl sie viel mehr verdienen als ich»
So auch Leserin Laetitia. Sie schreibt: «Ob bei einem Festival, einem Konzert oder einem Abendessen, der Mechanismus ist immer derselbe: Wenn ich mit meiner Freundin und ihrem Freund unterwegs bin, bezahle ich meistens die Rechnung. Die beiden sagen, sie würden mir das Geld zurückgeben – und tun es dann doch nicht.»
Früher habe sie es nicht so schlimm gefunden, weil ihre Freundin arbeitslos war. Als sie dann aber einen guten Job gefunden habe und mit ihrem Freund zusammengekommen sei, habe sie für drei bezahlt. «Sie beide verdienen viel mehr als ich.» Neu fordere sie deshalb beim Bezahlen getrennte Rechnungen. «Meine Freundin weiss natürlich, wieso, und ich sehe ihr am Gesicht an, wie unangenehm ihr das Ganze ist. Darüber geredet haben wir aber noch nie. Ich weiss nicht, wie ich es ansprechen soll.» In der Vergangenheit habe sie erlebt, dass Freundinnen ausfällig geworden seien, wenn sie sie deshalb zur Rede gestellt hätte.
«Sie schaut, dass wir zusammen einkaufen gehen, damit ich ihre Beauty- Artikel bezahle»
David (23) erzählt von seiner Freundin und wie sehr ihn ihr Verhalten belastet: «Am Anfang der Beziehung meinte meine Freundin, dass sie alles selbst zahlen wolle, da sie eigenständig wäre. Nach einem Monat zusammen war das wie vergessen.»
Seither lasse sie sich alles von ihm bezahlen. «Alles – nicht nur das Essen. Sie schaut, dass wir zusammen einkaufen gehen, damit ich alle ihre Beauty-Artikel bezahle. Das stört mich.» Wenn er sie darauf anspreche, meine sie nur: «Sie mache das für mich. Ich bin zutiefst verunsichert.»
Hast du auch schon Erfahrungen mit «Brokefishing» gesammelt?
«Sie konsumieren mehr und wollen die Rechnung dann teilen»
Marcel* (39) hat ähnliche Erfahrungen gemacht. In seinem Umfeld habe er Personen, die unverschämt beim Teilen der Rechnung seien: «Ich habe drei Bekannte, die sich im Restaurant immer sehr teure Dinge bestellen oder deutlich überdurchschnittlich viel konsumieren und dann beim Bezahlen vorschlagen, den Gesamtbetrag durch die Anzahl der Anwesenden zu teilen.»
Wie er erzählt, argumentieren sie, dass es die Service-Angestellten so einfacher hätten oder dass es schneller gehe. «Manchmal verschwinden sie auch auf das Klo, sobald der Kellner mit der Rechnung kommt – oder sie haben angeblich nur ein 20er-Nötli dabei, um weniger bezahlen zu müssen.»
«Ich habe um die 3000 Franken für ihn ausgegeben»
Die 22-jährige Anna* hat in diesem Zusammenhang auch schon schlechte Erfahrungen gesammelt, wie sie erzählt: «Als ich noch jünger war, hatte ich einen Freund, der mir auf der Tasche lag. Insgesamt habe ich locker um die 3000 Franken für ihn ausgegeben.»
Bei Maya (30) und ihrer besten Freundin läuft das anders: Mal zahle sie, mal zahle ihre Freundin. Mit einem weiteren Freund habe es aber nicht so gut geklappt: «Immer, wenn wir mit ihm abgemacht haben, holten wir ihn ab, eine von uns beiden zahlte und danach brachten wir ihn wieder nach Hause. Er hatte nie Geld dabei und machte nicht einmal Anstalten, sein Portemonnaie aus der Tasche zu holen.» Es seien Monate vergangen, bis die beiden die Masche durchschauten. «Wir hatten buchstäblich für seine Anwesenheit bezahlt – das ist ärgerlich.»
*Name der Redaktion bekannt.
«Sind Freunde nicht einsichtig, müssen Finanzen ausgeklammert werden»

Felix Hof ist Psychotherapeut in Zürich.
Herr Hof, wieso lassen sich gewisse Personen immer wieder einladen, obwohl sie selbst zahlen könnten?
Personen lassen sich deshalb immer wieder einladen, weil sie a) das Gefühl haben, ihre Präsenz sei unbezahlbar, b) immer und jederzeit verwöhnt werden wollen, c) gerne andere Menschen ausnutzen, d) sparsam, mitunter geizig oder aber profitgierig sind.
Kann man ihnen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale zuordnen?
Diesen Menschen können tatsächlich gewisse Attribute aus dem Kreis des Narzissmus zugeschrieben werden oder aber des krankhaften Geizes.
Wie kann man verhindern, dass das passiert?
Verhindern kann man das nur, wenn schon vor einem gemeinsamen Ausgang oder einem gemeinsamen Essen klar ist, wie die Rechnung aufgeteilt wird.
Wann ist es okay, Freunden finanziell auszuhelfen? Ab wann wird man ausgenutzt?
Die finanzielle Not von Freundinnen und Freunden zu lindern, ist unsere Freundschaftspflicht und unsere Mitverantwortung. Sie hört aber dort auf, wenn andere ihrer Notlage nicht eigenverantwortlich Abhilfe zu schaffen versuchen.
Wie soll man mit diesen Personen umgehen?
Ganz einfach: Sind Personen oder Freunde nicht einsichtig, dann müssen Finanzen aus der Beziehung ausgeklammert werden – heisst, dass es kein Thema ist.
Ist Geldausleihen der ultimative Freundschaftskiller?
Geldausleihen ist absolut kein Freundschaftskiller, wenn die Bedingungen klar definiert sind, sich die Ausleihe nicht beliebig wiederholt oder zur Selbstverständlichkeit wird und wenn vor allem Rückzahlungen korrekt und verbindlich erfolgen.
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