Obergericht Zürich«Ich bin erschrocken, als ich die zivilen Polizisten sah und wollte fliehen»
Nach einer Silvesterfeier in Zürich wurden 2020 Polizisten angegriffen. Ein 20-jähriger Aargauer hat beim Obergericht milde Richter gefunden. Er muss aber eine unbedingte Geldstrafe von knapp 4000 Franken bezahlen.
- von
- Stefan Hohler
Darum gehts
An einer Silvesterparty 2020 in Zürich soll ein junger Mann eine zivile Polizistin in den Schwitzkasten genommen haben.
Der 20-jährige Aargauer bestreitet dies. Er habe nur fliehen wollen, als die Beamtin ihn verhaften wollte.
Das Obergericht spricht ihn vom Vorwurf des Angriffs frei. Er muss aber eine unbedingte Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu 30 Franken zahlen.
Rund 20 junge Erwachsene und Jugendliche haben den Silvester 2020 in einer Wohnung beim Zürcher Hauptbahnhof gefeiert. Kurz nach Mitternacht sind die Partygäste hinausgegangen, um auf der Strasse den ersten Tag im 2021 mit Böllerschüssen und Feuerwerk zu feiern. Als vier Kantonspolizisten in Zivil das gefährliche Feiern mitten in den Häusern und Autos stoppen wollten, eskalierte die Situation. Ein Teil der Partygäste griff die Beamten an, diese mussten Verstärkung anfordern.
Wie die Kapo damals in einer Medienmitteilung schrieb, griffen mehrere Personen die handelnden Polizisten an. Mit der Unterstützung weiterer Polizeikräfte habe die Situation unter Kontrolle gebracht werden können. Neun Personen wurden verhaftet und sieben Schweizer, eine Frau und sechs Männer im Alter von 16 bis 24 Jahren, wurden angezeigt.
Polizistin in Schwitzkasten genommen?
Einer der Verhafteten stand am Mittwoch vor dem Obergericht. Ihm wirft der Staatsanwalt Angriff, Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Hinderung einer Amtshandlung vor. Laut Anklage hat er versucht, zu fliehen. Einer Polizistin gelang es aber, ihn am Hosenbund zu packen und zu Boden zu ziehen. Der Beschuldigte soll die Polizistin dann in den Schwitzkasten genommen haben. Seine Schwester sei herbeigeeilt und habe mit dem Fuss gegen Hinterkopf und Oberarm der Polizistin getreten. Diese liess den Bruder darauf los und er konnte fliehen. Die Beamtin erlitt Hautabschürfungen am Hinterkopf, ein Hämatom am Oberarm und weitere Verletzungen. Zwei andere Polizisten wurden ebenfalls leicht verletzt.
Das Bezirksgericht Zürich hat den zum Tatzeitpunkt 18-jährigen Aargauer im letzten Mai zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, wovon er sieben Tage in Untersuchungshaft sass. Dagegen gelangte er ans Obergericht. «Ich bin erschrocken, als ich die zivilen Polizisten sah und wollte fliehen», sagt der Hilfselektriker am Prozess vom Mittwoch. «Ich habe mich am Angriff nicht beteiligt», beteuert er. «Es tut mir leid, alles war falsch gelaufen.» Seine zwei Jahre ältere Schwester, eine Pflegefachfrau, hat im Gegensatz zum Bruder die bedingte Freiheitsstrafe von 14 Monaten der Vorinstanz akzeptiert.
«Polizisten waren weder passiv noch defensiv»
Der Anwalt verlangt einen Freispruch vom Vorwurf des Angriffs. Sein Mandant soll mit einer bedingten Geldstrafe wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte und Hinderung einer Amtshandlung bestraft werden. Ein Angriff liege dann vor, wenn sich das Opfer rein passiv gegenüber seinem Angreifer verhält. «Die Polizisten waren weder rein passiv noch defensiv. Sie sind tätlich gegen die Gruppe mit Faustschlägen und Schlagstock vorgegangen», sagt er. Wenn schon, dann habe es sich um einen Raufhandel gehandelt, dieser sei aber nicht eingeklagt.
Das Obergericht spricht den Aargauer vom Vorwurf des Angriffs frei. Es verurteilt ihn aber wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Hinderung einer Amtshandlung mit einer unbedingten Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu 30 Franken (3900 Franken). «Dass Sie die Polizistin in den Schwitzkasten genommen haben, lässt sich nicht erstellen», so der Vorsitzende. Dass er trotzdem eine unbedingte Geldstrafe erhält, hängt mit einer einschlägigen Jugendstrafe und einem anderen laufenden Verfahren zusammen.
Keine News mehr verpassen
Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.