KrankenkasseSind Pharma-Firmen schuld an hohen Prämien?
Die Pharmabranche zahlt Ärzten und Spitälern Millionenbeträge. Der Verdacht: Damit werden die eigenen Medikamente beworben und die Kosten hochgehalten.
- von
- P. Michel
Über zwei Millionen Franken überwies die Pharmaindustrie im letzten Jahr an das Inselspital Bern. Davon bezahlte etwa die deutsche Bayer für «Sponsoring» 241'930 Franken, und der Schweizer Konzern Novartis zahlte «Honorare» in der Höhe von 84'849 Franken. Und ein Basler Gynäkologe erhielt etwa letztes Jahr Pharma-Zuwendungen für Reisekosten, Tagungsgebühren und Honorare in der Höhe von insgesamt 70'538 Franken.
Insgesamt entrichteten Pharma-Firmen laut einer Auswertung der Stiftung Konsumentenschutz und der Recherche-Plattform Correctiv im vergangenen Jahr 155 Millionen Franken an Schweizer Ärzte, Spitäler und Gesundheitsorganisationen. Seit zwei Jahren veröffentlichen die Firmen unter dem Pharma-Kooperations-Kodex ihre Zahlungen an die einzelnen Empfänger auf ihrer Homepage. Allerdings müssen diese zustimmen. «Die freiwillige Offenlegung ist ein grosser Schritt hin zu mehr Transparenz», erklärt Interpharma-Sprecherin Sara Käch.
Für Ivo Meli, Leiter Gesundheit bei der Stiftung Konsumentenschutz, ist nach Sichtung der Unterlagen auf einer eigenen Datenbank hingegen klar: «Viele dieser Gelder dienen nur vordergründig der Förderung von Forschung und Weiterbildung. Tatsächlich betreibt die Pharma geschicktes Marketing für ihre Produkte.»
«Das geht in Richtung Korruption»
Meli führt ein Beispiel an: Eine Pharmafirma bezahlt Ärzten 300 Franken, wenn sie das Medikament der entsprechenden Firma verschreiben und dem Patienten dazu Fragen für eine Studie stellen. Diese sogenannten Anwendungsbeobachtungen würden aber kaum Nutzen für die Forschung bringen. «Das geht in Richtung Korruption», sagt Meli zu 20 Minuten.
Denn nun verschreibe der Arzt eher das Medikament, mit dem er 300 Franken dazu verdienen kann, und kein günstigeres Generikum. «Somit trägt die Pharmaindustrie dazu bei, dass die Gesundheitskosten Jahr für Jahr steigen.» In einer Umfrage von Comparis gaben 65 Prozent der Befragten an, dass die Medikamentenhersteller für die steigenden Krankenkassen-Prämien verantwortlich seien. Tatsächlich beläuft sich der Anteil der Medikamente an den Gesundheitskosten auf 9,1 Prozent.
Meli fordert neben einem nationalen Register, in dem lückenlos alle Geldflüsse dokumentiert werden, dass «die Pharma künftig nur noch Zahlungen leisten darf, die tatsächlich der Forschung, Entwicklung, Weiterbildung und weiteren sinnvollen Zielen zugutekommen». Alle anderen Gelder, die auf Marketing für die eigenen Produkte abzielen, müssten verboten werden.
Pharmaindustrie wehrt sich
Der Verband Interpharma weist die Kritik zurück, dass die Zuwendungen der Pharma die Gesundheitskosten in die Höhe treiben. «Der Gesetzgeber sowie der Pharmakodex verbieten Zahlungen und Anreize, um die Verschreibung gewisser Medikamente zu fördern», sagt Sprecherin Sara Käch.
Interpharma betont, dass die Zusammenarbeit zwischen Ärzten oder Universitätsspitälern und der Pharmaindustrie wichtig sei, um neue, wirksamere Therapien gegen schwere Krankheiten wie Krebs oder Multiple Sklerose zu entwickeln. Ebenfalls fänden die kritisierten Anwendungsbeobachtungen nur noch selten statt. «Und dass Forschungszusammenarbeiten und Beratertätigkeiten angemessene Vergütungen nach sich ziehen, ist nur sachgerecht», so Käch.
Würde ein Verbot die Qualität verschlechtern?
Ein Verbot gewisser Zuwendungen lehnt der Verband denn auch ab: «Das würde den wichtigen Austausch und die Zusammenarbeit verhindern und die Qualität des Schweizer Gesundheitswesen verschlechtern.»
Das sagen die Ärzte zum Pharma-Geld
Bei der Ärztevereinigung FMH heisst es, die Zusammenarbeit der Ärzteschaft mit der Pharmaindustrie sei «seit langem etabliert und liege im Interesse einer guten Gesundheitsversorgung». Da Abhängigkeiten und Interessenskonflikte entstehen könnten, habe die die FMH Verhaltensrichtlinien eingeführt, damit die Objektivität und Unabhängigkeit gewahrt bleibe. Mit Blick auf die Transparenz gibt es laut dem Verband aber noch Optimierungspotential: «Im Sinne der Transparenz ist es notwendig, dass die Entschädigungen an einer einzigen Stelle publiziert sind, und nicht bei jedem einzelnen Unternehmen gesucht werden müssen.»