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Futterpapst Sixpack – das Statussymbol für die Frau

Auch Frauen können sich einen Waschbrettbauch antrainieren. Eine Gratwanderung zwischen Erfolg und Nebenwirkungen, wie die Kolumne von Jürg Hösli zeigt.

Jürg Hösli
von
Jürg Hösli
Durchtrainiert: Eine Frau macht Rumpfbeugen.

Durchtrainiert: Eine Frau macht Rumpfbeugen.

Mihailomilovanovic, iStock

Frau trägt heute Sixpack. Was bei Victoria's Secret Standard sein muss, hält immer mehr in den Alltag und ins Bewusstsein der Frauen Einzug. Fitnessmodels zeigen sich mit den begehrlichen Linien am Bauch, verkaufen damit hunderte von Ernährungs- und Trainingsplänen. Auf Facebook scheint heute jede das ganze Jahr in Topform zu sein. Das Sixpack scheint ein stetiger Begleiter des gesunden Lebensstils zu sein und ist das neue Statussymbol. Doch die Realität sieht anders aus, ganz anders!

Kaum ein naturales (drogenfreies) Fitnessmodel wird ausserhalb der unmittelbaren Vorbereitung auf der Bühne ihr Sixpack zeigen können. Natürlich sind sie top trainiert, doch etwas mehr Körperfett als sonst verdeckt unter dem Jahr das Waschbrett. Sie beginnen ihre Vorbereitung rund vier Monate vor der Bühnenpräsenz, senken ihre Kohlenhydrate und heben das Niveau des Ausdauertrainings an. Es ist die Phase, in der viele ihre Tage nicht mehr bekommen, ein hormoneller Wechsel geschieht ähnlich den Wechseljahren. Schlafstörungen kommen, das Haar wird brüchiger, die Haut trockener.

Auch die Psyche ändert sich. Die Dünnhäutigkeit steigt im gleichen Masse wie die innere Unruhe. Die euphorische Stimmung nach dem Training ist oft noch der einzige Kick im Alltag, endlich kommt das Sixpack, oft nur zwei bis drei Wochen vor dem Wettkampf. Nun werden die Fotos gemacht. Und genau diese nehmen sich viele Frauen als Vorbilder für den Alltag.

Einige Fitnessmodels kommen aus einer Magersucht oder stecken grad tief drin. Diese Kontrollstörung ermöglicht es ihnen, ihr Sixpack auch unter dem Jahr zu halten. Nährstoffe werden im Minimum zugeführt. Ansonsten wird auf alles verzichtet, was dem «normalen» Menschen beim Essen Spass macht. Die Realität in der Fitnessszene sieht noch etwas düsterer aus. Kaum ein Coach, der seinen Frauen nicht verbotene Mittel wie Clenbuterol, Ephedrin, Wachstumshormone usw. oder zumindest einen Teil davon gibt. Die Nebenwirkungen werden verniedlicht, der Zweck heiligt die Mittel.

Nicht die Gesundheit der Frauen steht im Zentrum, sondern das «Wohl», endlich Fitnessmodel zu werden. Ein Statussymbol für Gesundheit verkommt zum Sinnbild nicht artgerechter Haltung. Wären Fitnessmodels Tiere, würde sicherlich schon das eine oder andere Schweizer Model eine eigene Bewegung für deren Rettung gegründet haben.

Natürlich gibt es sie, Frauen mit genetisch bedingtem grossem Herz- Kreislauf-Volumen. «Bessere Herzen» pumpen mehr Energie durch den Körper, was einen höheren Stoffwechsel ergibt. Und genau von diesen Körpern können wir lernen. Den Stoffwechsel erhöhen können wir über intensive Intervall- und Krafttrainings.

Wer aber nicht genügend fit ist, der zerschiesst sich seinen Stoffwechsel mit genau diesen Trainings, und der Bauch wächst sogar noch mehr. Darum muss hier zuerst ein Ausdauertraining her mit wenigen moderaten Rumpftrainings, um die Grundlage zuerst aufzubauen, dann stetig und nicht zu schnell die Intensität steigern, was nicht die Kernkompetenz vieler ungeduldiger Frauen ist. Wer schon von Beginn weg hungert, Kohlenhydrate verzichtet, der nimmt sich einen wichtigen Stoffwechsel-Aktivator.

Stress ist ebenfalls ein sehr grosser Stoffwechselkiller genauso wie zu wenig Schlaf oder zu viel Training. Wer nicht genügend isst, bei dem steigen die Nebenwirkungen und nicht der Erfolg. Sixpacks sind heute mehr durch Photoshop und Drogen entstanden als durch harte Arbeit, darum relativiert eure Trainingsziele und geniesst ein bisschen mehr das Leben.

«Wissen rund ums Essen» heisst die Vortragsreihe von Jürg Hösli in Winterthur. Am 11. Januar sind die «Stoffwechselsysteme des Menschen» sein Thema. Alle Details finden Sie erpse, Institut für Ernährungsdiagnostik.

Jürg Hösli ist Ernährungswissenschaftler, Querdenker und greift gerne kontroverse Themen aus Sport, Psychologie und Ernährung auf. Er ist seit 30 Jahren im Leistungssport, hat Weltmeister und Olympiasieger betreut. Er ist Begründer der Ernährungsdiagnostik und der Schule für Ernährungsdiagnostik erpse in Winterthur. Hösli betreut hier vor allem übergewichtige Klienten und Menschen mit Reizdarm oder Erschöpfungszuständen. Für 20 Minuten schreibt er unter dem Namen Futterpapst Kolumnen.

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