Zuhälter-Prozess«Skrupellose, sadistische Menschenhändler»
Vier ungarische Zuhälter stehen seit Mittwoch in Zürich vor Gericht. Die Staatsanwältin fordert für sie lange Freiheitsstrafen. Ihre Opfer leiden heute noch unter den Misshandlungen.
- von
- Annette Hirschberg

Die 15 Opfer mussten in Zürich auf dem Strassenstrich anschaffen gehen.
Alle vier Angeklagten werden auch am Mittwochnachmittag mit Hand- und Fussfesseln in den Gerichtssaal des Bezirksgerichts Zürich geführt. Die vier eher klein gewachsenen ungarischen Roma treten trotz der demütigenden Fesseln nicht gesenkten Hauptes ein.
Ganz im Gegenteil: Besonders der 41-jährige Balint (Name geändert), der laut Anklage die schwersten Verbrechen begangen hat, ist vorlaut. Auf die Frage, ob er eines der Opfer vergewaltigt habe, antwortet er spöttisch: «Diese Frau lässt sich nicht befriedigen. Sie wäre nicht befriedigt, wenn ganz Ungarn mit ihr schlafen würde.»
«Sie war nicht schwanger, sie träumt nur»
Auf die Frage zu einer mit Schlägen erzwungenen Abtreibung bei einem Opfer, antwortet er dem Richter: «Sie lügt, sie war gar nicht schwanger, sie träumt nur.»
Staatsanwältin Silvia Steiner beschreibt Balint in ihrem Plädoyer als hinterhältig, kaltblütig und sadistisch. «Er verfügte über die Körper und Seelen seiner Opfer in menschenverachtender Weise.»
Er drohte, die 7-jährige Tochter zu vergewaltigen
So versuchte er laut Anklageschrift ein Opfer mit Javelwasser an der Scheide zu verätzen. Als dies misslang, stach er mit einem Brotmesser zu. Die Frau wich aus und er stach in die Aussenseite ihres Oberschenkels. An einem anderen Tag würgte er sie fast bis zur Bewusstlosigkeit. Schläge, Tritte, Blossstellen: Die Liste der Quälereien von Balint an dieser Frau sind lang.
In einem anderen Fall drohte er, die 7-jährige Tochter eines Opfer zu vergewaltigen. So zwang er eine bei den Freiern besonders beliebte Frau, wieder in die Schweiz zurückzukehren.
«Sie bleibt ein Leben lang ihrer Vergangenheit ausgeliefert»
Auch Rechtsanwältin Ina Ragaller, die eines der Opfer von Balint vertritt, bezeichnet sein Vorgehen als sadistisch. Ihre Klientin leide unter massiven Störungen, habe Panikattacken und könne sich nicht alleine im Freien aufhalten. «Sie bleibt ihr Leben lang ihrer grausamen Vergangenheit ausgeliefert», so Ragaller.
Für Rechtsanwältin Claudia Schaumann, die zwei Opfer vertritt, sind alle drei Hauptangeklagten (Adam, Balint und Tamás, siehe Infobox) «skrupellose, gewalttätige und sadistische Menschenhändler». Sie hätten die ausweglose wirtschaftliche Lage und Jugend der Frauen rücksichtslos ausgenutzt.
Pornofilm führte zu Polizeiaktion
Der Verhaftung der ungarischen Zuhälter ging eine monatelange Polizeiaktion voraus. Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch einen Pornofilm, der im Dezember 2007 im Internet publiziert wurde.
Dabei musste eine Frau zu zwei als Samichlaus und Schmutzli verkleideten Männern in einen Bus steigen. Auf dem Video war laut Steiner erkennbar, dass die Frau gegen ihren Willen mitspielen musste und von einem Mitdarsteller dazu gedrängt wurde.
Aktion «Goldfinger»
Darauf begann die Polizei die ungarischen Zuhälter zu überwachen. Dabei fiel der Polizei der damals 38-jährige Adam auf, der den Ruf hatte, mit Goldketten behangen herumzulaufen und all sein Geld in Gold umzusetzen. Die Polizei begann mit der telefonischen Überwachung von Adam unter dem Aktionsnamen «Goldfinger».
Im Laufe der Ermittlung stiessen Polizei und Staatsanwältin auf den damals 39-jährigen Balint. Dieser war durch seine Brutalität und Rücksichtslosigkeit aufgefallen. Um ihn ebenfalls zu überwachen, wurde die Aktion «Samurai» gestartet. Im Juni, Juli und August 2008 wurden Adam, Balint und drei weitere Zuhälter verhaftet. Einer von ihnen nahm sich während der Untersuchungshaft das Leben.
Alle vier sind vorbestraft
Nach zwei Jahren Untersuchung müssen sich die vier eher klein gewachsenen Roma aus Ungarn nun wegen Verbrechen gegen 15 Frauen aus Ungarn und Rumänien verantworten. Dabei geht es in erster Linie um Menschenhandel, Förderung der Prostitution, Vergewaltigung und Nötigung.
Der Lebenslauf aller vier Angeklagten spricht eine deutliche Sprache: Die zwischen 30 und 41 Jahre alten mutmasslichen Täter sind alle vorbestraft. Zum Teil haben sie in Ungarn bereits lange Gefängnisstrafen abgesessen.
Verwahrung gefordert
Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe von Staatsanwältin Sivlia Steiner weitestgehend. Steiner fordert in ihrem Plädoyer Freiheitsstrafen zwischen 4,5 und 16 Jahren für die Angeklagten. Für den gewalttätigsten Täter, den 41-jährigen Balint, fordert sie zudem die Verwahrung.
Der Prozess gegen die vier Zuhälter findet vor dem Bezirksgericht in Zürich statt. 20 Minuten Online berichtet fortlaufend.
Die vier Zuhälter:
40-jährige Adam (Name geändert) war zwischen August 2007 und Juli 2008 offenbar als Zuhälter in Zürich tätig. In dieser Zeit soll er neun Frauen zur Prostitution gezwungen haben. Als eine seiner Frauen schwanger wurde, soll er durch Schläge und Tritte in den Bauch eine Abtreibung verursacht haben. Ausserdem setzte er Schläger auf einen Widersacher an. Die Staatsanwältin fordert 11 Jahre Gefängnis für Adam. In Ungarn kassierte er bereits 7 Vorstrafen. Der eher dickliche, kleine Adam, der im Anzug vor Gericht erscheint, bestreitet fast alle Anklagen gegen ihn.
41-Jährige Balint (Name geändert) ist der brutalste der vier Zuhälter und muss sich wegen Verbrechen gegen sieben Frauen verantworten. Er sass in Ungarn bereits acht Jahre im Gefängnis wegen Vergewaltigung einer 13-Jährigen, die er aus einem Heim geholt, vergewaltigt und danach in Ungarn auf dem Lastwagenstrich verkauft hat. Sein Verhalten beschreibt die Staatsanwältin als grässliche Misshandlungen und Folterungen. Auch Balint soll mit Schlägen eine Abtreibung herbeigeführt haben. Zudem ist er wegen Vergewaltigung, gewerbsmässigem Menschenhandel, Drohung, Nötigung und mehrfacher Körperverletzung angeklagt. In Ungarn läuft zudem ein weiteres Verfahren gegen ihn. Er soll versucht haben, seine unehelichen Kinder nach Kanada zu verkaufen. Der eher kleine und schmächtig wirkenden Angeklagte hat ein zerfurchtes, hageres Gesicht und einen stechenden Blick. Er steht in einem heraushängenden weissen Hemd vor Gericht und kann sich ein abfälliges Grinsen hie und da nicht verkneifen. Die Staatsanwältin fordert für den Angeklagten 16 Jahre Gefängnis und Verwahrung.
30-jährige Tamás (Name geändert) ist Balints Cousin. Der jüngste der vier Zuhälter trägt ein Tribal-Tatoo am Hals, ist ebenfalls klein aber kräftig gebaut und gut aussehend. Er tritt im T-Shirt vor den Richter. Sein rechtes Auge ziert ein Pflaster und ist geschwollen von einer Schlägerei im Gefängnis. Er sitzt seither im Bunker in Einzelhaft. Er hat in Ungarn bereits zwei Vorstrafen. Den Frauen gegenüber hat er zudem geprahlt, dass er bereits einen Menschen umgebracht habe. Silvia Steiner klagt ihn wegen Vergewaltigung, Nötigung, Menschenhandel und Förderung der Prostitution an. Sie fordert neun Jahre Haft.
40-jährige Kristof (Name geändert) gilt als Mittäter. Er versuchte vor allem Frauen in Ungarn für den Strassenstrich aufzutreiben und brachte sie in die Schweiz. Er ist wegen Menschenhandel und Förderung der Prostitution angeklagt. Staatsanwältin Steiner fordert 4,5 Jahre Freiheitsstrafe für ihn.