Keine ExtrawurstSnowden hat hierzulande kaum Chancen auf Asyl
Edward Snowden hat in 21 Ländern Asyl beantragt – auch in der Schweiz. Experten und Politiker schätzen seine Chancen jedoch als äusserst gering ein.
- von
- S. Marty/S. Hehli

Laut Wikileaks hat Snowden bei der Schweizer Botschaft in Moskau Asyl beantragt.
Edward Snowden hat die Schweiz um Asyl gebeten. Dies geht aus einer Liste der Enthüllungsplattform Wikileaks hervor, auf der noch 20 weitere Länder stehen, die als Zufluchtsort dienen könnten. In Bern ist das Gesuch allerdings noch nicht eingetroffen, wie das Bundesamt für Migration (BFM) gegenüber 20 Minuten erklärt.
Dass der Whistleblower bald in die Schweiz kommen wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Gemäss Asylgesetz muss einer Person aufgrund von bestimmten Umständen Gefahr an Leib und Leben drohen, damit sie hier als Flüchtling anerkannt wird. Gemäss Stefan Frey, Mediensprecher der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, stehen die Chancen für Snowden schlecht. «Er müsste glaubhaft machen können, dass er aus politischen Gründen kein faires Verfahren erhielte oder ihm eine unverhältnismässig hohe Strafe oder eine andere Art unmenschlicher Behandlung drohen würde.»
Die Situation hat sich mit dem Volks-Ja zur Asylgesetzrevision am 9. Juni und nach Abschaffung des Botschaftsasyls für Snowden verschlechtert. Für ein humanitäres Visum, das als Ersatz für das Botschaftsasyl vorgesehen ist, wäre eine Bedrohung von Leib und Leben zu beweisen, so Frey. «Das ist angesichts seines Aufenthaltsortes im Transitbereich eines internationalen Flughafens eher unwahrscheinlich.»
«Chance im tiefen einstelligen Prozentbereich»
Der Grüne Balthasar Glättli forderte den Bundesrat schon vor gut zwei Wochen auf, Snowden politisches Asyl zu gewähren. Die Regierung antwortete, sie äussere sich nicht zu Erfolgschancen hypothetischer Asylgesuche. «Sollte Herr Snowden die Schweiz um Aufnahme ersuchen, würde dies gemäss den geltenden Gesetzesbestimmungen von den zuständigen Stellen geprüft und entschieden.»
Nun, da es offenbar so weit ist, hält Glättli erst recht an seiner Forderung fest: «Der ursprüngliche Sinn des Asyls ist, Leuten Schutz zu gewähren, die ihre eigene Regierung hinterfragen.» In dieser liberalen Tradition lasse sich eine Aufnahme Snowdens bestens rechtfertigen – zumal es fraglich sei, ob dieser in den USA einen fairen Prozess bekomme.
Glättli ist sich bewusst: «Die Chancen, dass Snowden hier Asyl bekommt, liegen im tiefen einstelligen Prozentbereich.» Gerade weil der Amerikaner in mehreren Ländern gleichzeitig Asyl beantragt hat, sei es für die offizielle Schweiz leicht zu sagen, dass es ja Alternativen gebe. Snowden hätte in die Schweiz einreisen und direkt hier das Gesuch stellen können, so Glättli. «Aber das wäre für ihn ein grosses Risiko gewesen, weil die Schweiz einen Auslieferungsvertrag mit den USA hat.»
Keine Extrawurst für Prominente
Einen ungewöhnlichen Verbündeten fand Glättli vor zwei Wochen im SVP-Mann Oskar Freysinger, der in einer Interpellation ebenfalls vom Bundesrat forderte, Snowden Asyl zu gewähren. Doch nicht alle Vertreter der Rechtspartei teilen die Meinung des Wallisers. Der Zürcher Nationalrat Hans Fehr sagt, es komme nicht in Frage, Snowden Asyl zu gewähren.
Es sei irgendwie schon verlockend, Washington auf diesem Weg den Dauerdruck in Sachen Bankgeheimnis ein wenig heimzuzahlen, meint Fehr. Aber das Schweizer Asylgesetz sei nun mal nur für Leute vorgesehen, die an Leib und Leben bedroht sind. «Das ist bei Snowden nicht der Fall – und es darf für Prominente keine Extrawürste geben.»
Derselben Meinung ist CVP-Nationalrat Gerhard Pfister, der zusammen mit Fehr und Glättli in der Staatspolitischen Kommission sitzt: Snowden habe Gesetze gebrochen und sei kein politischer Flüchtling. «Entsprechend hat er keinen Anspruch auf Asyl.» Die Chancen, dass ihm die Schweiz dennoch ein solches gewähre, hält Pfister für sehr klein.