Mundtabak: Snus-Konsum beunruhigt Schweizer Zahnärzte

Aktualisiert

MundtabakSnus-Konsum beunruhigt Schweizer Zahnärzte

Trotz Verbot ist der Snus-Boom ungebrochen. Nun schlagen Zahnmediziner Alarm.

J. Büchi
von
J. Büchi
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Faltenbildung, Verdickung und eine weisslich-gräuliche Verfärbung der Mundschleimhaut: Leukoplakien kommen bei Snus-Konsumenten laut Studien häufig vor.

Faltenbildung, Verdickung und eine weisslich-gräuliche Verfärbung der Mundschleimhaut: Leukoplakien kommen bei Snus-Konsumenten laut Studien häufig vor.

Zahnmedizinische Kliniken Universität Bern
Auch ein Rückzug des Zahnfleischs sowie eine Verfärbung der Zähne drohen. In diesem Fall dürfte die Verfärbung der Schneidezähne jedoch nicht mit dem Snus-Konsum zusammenhängen.

Auch ein Rückzug des Zahnfleischs sowie eine Verfärbung der Zähne drohen. In diesem Fall dürfte die Verfärbung der Schneidezähne jedoch nicht mit dem Snus-Konsum zusammenhängen.

Zahnmedizinische Kliniken Universität Bern
Snus ist in der Schweiz seit 1995 grundsätzlich verboten, im August 2016 wurde zudem eine Gesetzeslücke gestopft, die den Import und Verkauf bisher möglich machten.

Snus ist in der Schweiz seit 1995 grundsätzlich verboten, im August 2016 wurde zudem eine Gesetzeslücke gestopft, die den Import und Verkauf bisher möglich machten.

AFP/Olivier Morin

Unter der Lippe haben sich gräulich-weisse Knubbel gebildet, das Zahnfleisch über dem Eckzahn hat sich zurückgezogen: Mit Bildern wie diesen sind Schweizer Zahnärzte immer häufiger konfrontiert. Leukoplakie heisst die verdickte, hell verfärbte Mundschleimhaut im Fachjargon. Als Ursache gilt der Konsum von Snus, der in der Schweiz derzeit – trotz Verkaufsverbot – einen regelrechten Boom erlebt (siehe Box).

«Dadurch, dass die Popularität von Snus in der Schweiz innert kurzer Zeit stark zugenommen hat, sind auch die Zahnärzte immer öfter mit den Folgen des Konsums konfrontiert», sagt Christoph A. Ramseier, Oberarzt an der Klinik für Parodontologie der Universität Bern. Zusammen mit weiteren Zahnmedizinern hat er im September in der Fachzeitschrift der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft vor «Beeinträchtigungen der Mundgesundheit» durch Snus gewarnt.

Studie mit Schweizer Rekruten

«Die Mundschleimhaut reagiert sehr empfindlich auf den Tabak und die Giftstoffe in Snus-Produkten», so Ramseier. Bei der Untersuchung von 615 Schweizer Rekruten im Jahr 2010 stellten Forscher achtmal die Diagnose Leukoplakie – alle acht Betroffenen gaben an, Snus zu konsumieren. Eine amerikanische Studie aus den 90er-Jahren beziffert die Wahrscheinlichkeit, dass Snus-Konsumenten an Leukoplakien leiden, auf gut 78 Prozent.

Dr. Marcus Eberhardt, Zentrumsleiter bei zahnarztzentrum.ch in Baden, kennt das Problem aus der Praxis: «Insbesondere in der Altersgruppe zwischen 16 und 20 gibt es vermehrt Snus-Konsumenten.» Fast alle seien männlich, «und viele sind sich der Risiken von Mundtabak nicht bewusst». Es sei deshalb Aufgabe der Zahnärzte, die Risikogruppe ganz genau auf Schleimhaut-Veränderungen zu untersuchen. Während der Zigarettenkonsum bei Patienten bereits heute standardmässig abgefragt werde, passiere das in Bezug auf Snus noch nicht. «Wir diskutieren aber, ob wir die Frage in den Anamnese-Fragebogen aufnehmen sollen.»

Dafür plädieren auch die Autoren des Fachartikels. Sie verweisen darauf, dass viele der praktizierenden Zahnärzte in ihrer Ausbildung nie etwas von Snus gehört hätten – und deshalb auch nicht explizit danach fragten. Das wäre jedoch wichtig, um die Patienten über die Risiken informieren zu können. «Im schlimmsten Fall können die Schleimhaut-Veränderungen in bösartigen Mundhöhlen-Krebs übergehen», warnt Ramseier. Solche Fälle sind dokumentiert – allerdings konnten schwedische Fallstudien einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Snus und dem Auftreten von Mundhöhlenkarzinomen nicht belegen.

«Snus ist nicht gleich Snus»

Andri Silberschmidt, Präsident der Jungfreisinnigen, begrüsst die Diskussion. «Ich finde es wichtig, dass die Konsumenten über die Risiken von Snus aufgeklärt werden.» Daraus zu schliessen, dass das Verbot von Mundtabak notwendig ist, ist für ihn aber falsch: «Auch Schoggi ist potenziell schlecht für die Zähne – trotzdem käme niemand auf die Idee, sie zu verbieten.» In einem liberalen Staat müsse jeder Bürger selbst entscheiden, was er konsumiert – und ob er die Konsequenzen dafür tragen will.

Finn Lundström, Präsident des Vereins FreeSnus, betont zudem, Snus sei nicht gleich Snus: «Die Produkte des Tabakherstellers Swedish Match werden pasteurisiert, dadurch werden die meisten Schadstoffe eliminiert.» Anders verhalte sich dies bei amerikanischen Produkten: «Es gibt Snus-Sorten, die das Zahnfleisch regelrecht auffressen – von diesen würde ich auch die Finger lassen.»

Kioske verkaufen «Restbestände»

Kioske verkaufen «Restbestände»

In der Schweiz ist Snus grundsätzlich schon seit 1995 verboten – wegen einer Gesetzeslücke konnten Schweizer Anbieter den skandinavischen Mundtabak allerdings jahrelang unbehelligt importieren und verkaufen. In der Folge erlebte Snus einen regelrechten Boom: Allein zwischen 2004 und 2012 nahmen die Importe von 484 Kilogramm auf 28,3 Tonnen zu.

Im August dieses Jahres hat der Bund nun mit einer Weisung das Schlupfloch gestopft: Snus-Importe, die den Eigenbedarf von 1,2 Kilogramm überschreiten, sind seither strikt verboten. Verstösse können mit Bussen von bis zu 40'000 Franken geahndet werden.

Trotzdem ist der Mundtabak noch an fast jeder Ecke erhältlich. Erst im April hatte die Kioskbetreiberin Valora gewisse Verkaufsstellen noch mit speziellen Kühlschränken ausgerüstet, in denen das Snus optimal gelagert werden kann – und diese sind weiterhin prall gefüllt. Auf Anfrage teilt Valora mit, sie habe «bis heute keine kantonale Verfügung erhalten, die Produkte vom Markt zu nehmen». Restbestände würden deshalb weiterhin verkauft. Die Kantonschemiker sind dafür zuständig, die verbotenen Tabakprodukte aus dem Verkehr zu ziehen.

(jbu)

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