Lohnexzesse?So erklären die Krankenkassen die Lohnsprünge ihrer Chefs
Der CEO-Lohn verdoppelt sich bei Sanitas in fünf Jahren. Der Lohnexperte sieht ein Versagen der Aufsicht. Halbstaatliche Betriebe sollten auch ohne Millionenlöhne funktionieren.
CSS-CEO Philomena Colatrella bekam im vergangenen Jahr 725’131 Franken. Das sagt sie über ihren Lohn.
Darum gehts
Krankenkassen-Chefs bekommen zum Teil deutlich mehr Lohn als noch vor fünf Jahren.
Bei Sanitas gabs eine Verdopplung.
Der Lohnexperte findet das ungerechtfertigt.
Die Krankenkassenprämien steigen, die Löhne der Krankenkassen-CEOs auch. Topverdiener Andreas Schönenberger von der Sanitas überragt alle anderen mit grossem Abstand. Der ehemalige Google-Schweiz- und Salt-Chef bekam im vergangenen Jahr 956’486 Franken. Das ist mehr als das Doppelte, als sein Vorgänger vor fünf Jahren bekam.
Groupe-Mutuel-Chef Thomas Boyer bekommt das zweithöchste Gehalt aller Krankenkassen-CEOs und auch sein Lohn sprang im Vergleich zu seinem Vorgänger vor fünf Jahren um über 50 Prozent (siehe Bildstrecke unten). Bei Swica-CEO Reto Dahinden ist es ein Anstieg in fünf Jahren um 18 Prozent auf 735’658 Franken. Das reicht zum fünften Platz der Bestverdienenden.
Wegen der hohen Lohnzuwächse will jetzt auch die Politik reagieren und die Löhne deckeln. Übers Limit muss sie sich noch einigen.
Das sagen die Krankenkassen
20 Minuten fragte bei den Krankenkassen der Chefs mit den höchsten Lohnsprüngen nach den Gründen. Sanitas-Sprecher Christian Kuhn sagt, die Löhne der Jahre 2017 und 2022 liessen sich nicht miteinander vergleichen: «Der damals neue CEO war im Jahr 2017 nur 10,5 Monate im Amt und hat 2017 keine variablen Lohnanteile erhalten», so Kuhn.
Groupe-Mutuel-CEO Thomas Boyer ist seit Mitte 2019 im Amt. «Sein Lohn wurde bei seinem Antritt neu verhandelt und orientiert sich an den Salären der Branche», sagt Sprecher Serkan Isik. Er verweist auf die Grösse der Firma. Die Groupe Mutuel sei nicht nur ein Krankenversicherer. «Heute macht die Groupe Mutuel mehr als eine Milliarde Umsatz mit Vorsorge- und Unternehmensversicherungen», so Isik.
Swica-Sprecherin Silvia Schnidrig begründet die Lohnentwicklung des CEOs mit der erfolgreichen Unternehmensentwicklung der letzten Jahre. «Wir erachten die Höhe seines Lohns sowohl im Branchenvergleich als auch im Vergleich zu Funktionen mit ähnlichen Anforderungen und ähnlicher Komplexität als angemessen», so Schnidrig.
«Die Schweiz hat ein Problem mit der Kostenexplosion»
Lohnexperte Jean-Marc Jung findet solche Löhne hingegen nicht gerechtfertigt. Die Aufsicht der Firmen habe versagt: «Sie sind zu schwach, um so etwas zu verhindern», so Jung. Die Schweiz habe ohnehin ein Problem mit der Kostenexplosion im Gesundheitswesen. «Chefärzte verdienen Millionen, das sehen die Krankenkassen-Chefs und werden neidisch, weil sie das auch haben wollen», so Jung.
Aber mehr als ein Bundesratslohn sei für einen Krankenkassen-CEO mehr als genug. «Halbstaatliche Betriebe funktionieren auch ohne Millionenlöhne sehr gut», so Jung. Sollten die Top-Manager dann nicht mehr bei den Krankenkassen arbeiten wollen, müsse man das akzeptieren. «Es gibt auch anständige, leistungsorientierte Manager, die so eine Aufgabe bei der Krankenkasse im Sinne der Allgemeinheit machen», sagt der Lohnexperte.
Helsana legt Löhne offen
Seit April setzt der Krankenversicherungsriese Helsana mit seinen 3300 Mitarbeitenden auf Lohntransparenz. Das ermögliche eine klare Abgrenzung im Funktionsbeschrieb und eine bessere Position im Wettstreit um Fachkräfte, wie HR-Leiter Beat Hunziker zu 20 Minuten sagt. Vor allem sei es aber ein vielfacher Wunsch der Mitarbeitenden. «Sie wollten Klarheit, wo sie mit ihrem Salär stehen. Jetzt können wir diese Vergleichsmöglichkeit bieten», so Hunziker. Helsana-CEO Roman Sonderegger ist mit einem Lohn von 750’880 Franken auf dem vierten Platz der Top zehn der meistverdienenden Krankenkassen-CEOs (siehe Bildstrecke unten).
Keine News mehr verpassen
Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.