Outsourcen ist Trumpf: So müssen Sie nie mehr etwas selber machen

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Outsourcen ist TrumpfSo müssen Sie nie mehr etwas selber machen

Internet sei Dank: Nie zuvor war es für vielbeschäftigte Menschen einfacher, Mühsames an andere zu delegieren. Eine nicht ganz ernst gemeinte Anleitung für ein unbeschwertes Leben.

Gabriel Brönnimann
von
Gabriel Brönnimann
Wenn Sie alles richtig machen, reicht ein Laptop und genug Geld  und schon kann das Outsourcen losgehen (Symbolbild).

Wenn Sie alles richtig machen, reicht ein Laptop und genug Geld und schon kann das Outsourcen losgehen (Symbolbild).

«Ein Mensch ist reich im Verhältnis zur Anzahl der Dinge, um die er sich nicht zu kümmern braucht»: Diesen Satz schrieb der amerikanische Autor Henry David Thoreau schon 1854 in seinem Werk «Walden». Ob sich der naturverbundene und zurückgezogen lebende Idealist Thoreau 160 Jahre später, im Jahr 2014, wohlfühlen würde, darf bezweifelt werden. Sicher ist nur: Die Möglichkeiten, sich um immer weniger Dinge selbst kümmern zu müssen, sind nun vorhanden. Alles, was es dafür braucht, ist ein Internetanschluss. Und ein gut gefülltes Portemonnaie.

Das Internet bringt die Erlösung

Das Rezept heisst Outsourcing. Endlich kann sich der moderne Mensch auf das wirklich Wesentliche konzentrieren: Freiheit durch Technik. Den Dienstleistungs-Angeboten sind im Internet keine Grenzen gesetzt.

Wie mühsam war es doch, als man seinem Gegenüber beim Kennenlernen noch in die Augen schaute, dabei nicht genau wusste, was man mit seinen Händen anfangen sollte, um dann festzustellen, dass das Date, weil ebenfalls nervös, einem auf die Hände starrte. Längst vertrauen alle auf Partnervermittlungsdienste im Internet. Und nun kann man auch auf virtuelle Eroberer setzen: Das lästige Vorspiel des Kennenlernens entfällt, ein externer Flirt-Profi übernimmt und macht die zukünftige Frau vor dem ersten Treffen schon mal warm.

Befreien Sie sich von den Lasten des Privatlebens

Shopping erledigen Sie längst per Mausklick. Mit den Hunden spaziert der Dogwalker, und die Kinder dürfen, falls Sie sie spät abends noch sehen, tun und lassen, was sie wollen. Schliesslich werden sie extern von früh bis spät schon gut genug erzogen. Ihren vielen Freunden gratuliert eine App automatisch zum Geburtstag - so denken Sie immer an alle wichtigen Menschen in Ihrem Leben.

Überhaupt: Freunde. Auch das ist dank Klicks ein Klacks. Da wäre einmal das Problem, dass Sie vielleicht keine Freunde haben. Problem gelöst: Sie können sie kaufen, für Facebook (Achtung, illegal und unerprobt), und natürlich anderswo für jedes beliebige soziale Netzwerk.

Wenn Sie dann Freunde haben, sollten Sie die Freundschaft erhalten. Wie wäre es mit einer Video-Botschaft? Auf der Outsourcing-Plattform Fiverr können Sie zum Beispiel Leute beauftragen, die Ihre Grussbotschafen vorlesen - für fünf Dollar. Für Weihnachtsgrüsse ist ebenfalls gesorgt - für fünf Dollar schicken Sie jedes Verslein als Videobotschaft an Ihre Liebsten. Dazu bringen Sie Ihr Geld in Umlauf und sorgen dafür, dass die Outgesourcten sich eines Tages vielleicht selbst Outsourcing leisten können, wenn sie fleissig genug sind.

In der vollständigen Befreiung von den Lasten des Privatlebens sind die Japaner führend. So weit sind wir leider noch nicht - im Westen muss man derzeit noch mit herkömmlichen Escort-Services oder, etwas moderner, mit Miet-Freundinnen vorliebnehmen. Die Japaner leben derweil in derart grosser persönlicher Freiheit, dass ihre Facebook-Freunde keine Zeit mehr haben, um an ihre Hochzeiten zu kommen. Auch das ist kein Problem: Es ist nicht unüblich, dass Freunde, Arbeitskollegen oder gar die Trauzeugen an japanischen Hochzeiten gemietete Schauspieler sind. Das kostet nicht wenig - aber eine Hochzeit ohne Gäste macht im Restaurant keinen guten Eindruck. Schliesslich hat man Stil.

Übrigens hat der erste Japaner schon 2009 eine virtuelle Freundin (eine Figur aus einem Computerspiel) geheiratet. Den letzten logischen Schritt des Outsourcings haben allerdings auch die Japaner noch nicht vollzogen: Sie heiraten nach wie vor selbst und lassen sich noch nicht durch bezahlte Ersatz-Ehemänner oder -Frauen vor dem Traualtar vertreten. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass sich das bald ändern wird.

Falls Sie sich trotz all der Errungenschaften einmal allein fühlen sollten: Für läppische fünf Dollar können Sie mit manchen Menschen 30 Minuten lang über jedes beliebige Thema sprechen.

Befreien Sie sich von der Arbeit

Sollten Sie jetzt denken, die ganze Outsourcerei wäre ohne das ständige Arbeiten gar nicht nötig - dann denken Sie falsch. Im Gegenteil: Auch bei der Arbeit liegt Outsourcing dank Vernetzung total im Trend. Das Ziel - es könnte deutlicher nicht sein - kann nur die Befreiung auch von dieser Fessel sein. Outsourcing ist Weg und Ziel in einem.

Gutverdiener kennen längst die Seite Strandschicht: Dort können Sie sich für wenig Geld «virtuelle persönliche Assistenten» anheuern. Die mühsame Büroarbeit erledigt sich plötzlich wie von selbst - ein kostengünstiger Arbeiter übernimmt, und der kann das alles womöglich erst noch besser als Sie. Ihrem Unternehmen und der Gesellschaft tun sie damit einen Gefallen: Es braucht so bald niemand mehr neue Mitarbeiter einzustellen, keine Lehrlinge mehr auszubilden. Sie helfen damit tatkräftig mit, die Gesellschaft von der Arbeit zu befreien.

Noch ist sie nicht ganz so weit: Einem Vorreiter der Outsourcing-Bewegung wurde aus unerfindlichen Gründen letztes Jahr gekündigt. Der amerikanische Programmierer hatte seine Arbeit bei einer Computersicherheitsfirma während mehrerer Jahre an chinesische Programmierer outgesourct, während er im Internet Katzenvideos anschaute und auf Foren chattete. Das kostete ihn nur einen Fünftel seines Jahresgehalts. Als die Chefs des Programmierers das nach einigen Jahren herausfanden, verloren alle Beteiligten ihre Anstellung. Eine Entscheidung, die, seien wir ehrlich, weder dem Programmierer, der Firma noch den Chinesen etwas gebracht hat.

Immerhin gibt es bereits erste Hymnen auf die Bewegung. Vorreiter ist einmal mehr die deutsche Band Tocotronic, die seit Jahren jeden kulturellen Trend schon früh erkennt. In ihrem Hit «Macht es nicht selbst» von 2010 heisst es unmissverständlich:

«Was du auch machst

Mach es nicht selbst

Auch wenn du dir

Den Weg verstellst ...

Wer zu viel selber macht

Wird schliesslich dumm

Ausgenommen

Selbstbefriedigung.»

Mitarbeit: Nicolas Saameli

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