Sondersession Covid-19So prunklos sieht der provisorische Nationalratssaal aus
Am Montag beginnt die Corona-Sondersession des Schweizer Parlaments auf dem Bernexpo-Gelände. Von den National- und Ständeräten verlangt die neue Location einige Opfer.
- von
- Christian Holzer
So sehen die provisorischen Parlamentsräume in Bern aus.
Am Montag beginnt in Bern die ausserordentliche Session zur Bewältigung der Corona-Krise. National- und Ständerat wollen an mehreren Tagen dringliche Geschäfte behandeln. Weil im Bundeshaus der nötige Abstand zwischen den tagenden Parlamentariern nicht eingehalten werden kann, findet die Session auf dem Gelände der Bernexpo im Berner Wankdorf-Quartier statt. Den Bundeshaus-Charme sucht man im Provisorium vergeblich: Lediglich im Foyer des Gebäudes kommt einem dank der Projektion von schönen Fotos etwas Bundeshaus-Charme entgegen. Ansonsten sind die Räume auf vier Geschossen funktional eingerichtet. Pressetribünen in den Sälen fehlen, dafür kann man sich auf Rolltreppen fortbewegen.
Grosse Änderung für Ständeräte
Die Arbeiten am Berner Guisanplatz, wo das Parlament vorübergehend Unterschlupf findet, sind fast abgeschlossen. Am Donnerstag sollen letzte Tests stattfinden, am Samstag tagen bereits die Fraktionen in der Bernexpo. Ihnen stehen eigene Fraktionszimmer mit Tisch-Mikrofonen zur Verfügung. Im Ständerat sind diese nicht vorhanden. Laut Ständeratspräsident Hans Stöckli (SP/BE) ist dies die grösste Änderung für die Parlamentarier der kleinen Kammer. Wollen sie sich melden, müssen sie nun ans Rednerpult treten. Er sei jedoch davon überzeugt, dass sich seine Kollegen im provisorischen Ständerat zurechtfinden werden: «Ich gehe davon aus, dass am Montage alle Ständeräte für die Session erscheinen – mir wäre nichts anderes bekannt.» Wen jemand jedoch nicht an der Session teilnehmen wolle, etwa weil er besonders gefährdet ist, dann sei dies der Person freigestellt.
Kulinarisch wird die Session kein Höhenflug für die Politiker. Während sie sich im Bundeshaus vom Grand Café des Alpes verwöhnen lassen können, stehen im Provisorium verpackte Sandwiches und Salate zur Verfügung. Noch offen ist, ob auch eine einfache, warme Speise vorhanden sein wird. «Immerhin haben wir Kaffee à discretion», so Stöckli.
Kosten in der Kritik
Der Aufwand, der für die Sondersession betrieben wird, hatte in den Tagen zuvor für laute Kritik gesorgt. Bernexpo-Chefin Jennifer Somm sah sich deshalb dazu verpflichtet vor den Medien Stellung zu beziehen: «Eine ausserordentliche Session braucht ausserordentlich viel Platz», sagte Somm mit Blick auf die hohen Kosten. «Wir haben keinen Corona-Preis verrechnet – weder nach oben noch nach unten.» Es handle sich um marktübliche Konditionen. Der Mietzins betrage weniger als eine Million. Die Miete macht damit weniger als ein Drittel der veranschlagten Gesamtkosten von 3,4 Millionen Franken aus. Der Rest sind Technik- und Personalkosten.
Hans Stöckli sagte mit Blick auf die Kosten, dass ihn diese erstaunt hätten, aber: «Die Demokratie darf nicht nach Kosten bewertet werden.» Das politische System der Schweiz sei normalerweise sehr kostengünstig. Er selbst sei über die Höhe der Kosten für die ausserordentliche Session «erstaunt» gewesen, sagte Stöckli. Er habe die Preise jedoch nicht ausgehandelt.
An der Sondersession werden unter anderem folgende Geschäfte behandelt:
Bürgschaften – 41 Milliarden Franken
Für Überbrückungskredite beantragt der Bundesrat dem Parlament 40 Milliarden Franken. Der Bund verbürgt Kredite bis 500'000 Franken zu 100 Prozent. 30 Milliarden davon hat die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte (FinDel) als Vorschuss bewilligt.
Kurzarbeit – 6 Milliarden Franken
Um Stellen zu retten, hat der Bundesrat den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung ausgeweitet. So wurde beispielsweise die Karenzfrist aufgehoben. Zudem haben auch Arbeitnehmende in befristeten Arbeitsverhältnissen oder in Temporärarbeit, Lehrlinge sowie Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung Anspruch. Um die Kosten der zusätzlichen Gesuche zu decken, hat der Bundesrat 6 Milliarden Franken für den Fonds der Arbeitslosenversicherung beantragt.
Erwerbsersatz – 5,3 Milliarden Franken
Selbstständige, Eltern oder Personen in ärztlich angeordneter Quarantäne haben teilweise Erwerbsersatz zugesichert. Dieser entspricht 80 Prozent des vorangehenden Lohnes und ist bei 196 Franken pro Tag plafoniert. Dafür wurden 4 Milliarden Franken beantragt.
Sanitätsmaterial und Medikamente – 2,6 Milliarden Franken
Eine erste Tranche von 350 Millionen Franken hat der Bundesrat Mitte März dringlich beantragt. Damit soll die Armeeapotheke Masken, Operationsschürzen, Beatmungsgeräte und Defibrillatoren kaufen. Die zweite Tranche ist über 2,1 Milliarden Franken schwer. Damit soll die Armeeapotheke Masken, Handschuhe, Desinfektionsmittel, Probeabnahme-Sets, Testkits und Beatmungsgeräte kaufen können. Auf der Einkaufsliste stehen unter anderem 330 Millionen Hygienemaske für die Bevölkerung. sda
Noch unklar ist, ob auch die Sommersession im Juni auf dem Gelände der Bernexpo stattfinden wird. Der Entscheid soll am Freitag fallen. Gerüchte wonach diesbezüglich eine Offerte aus Luzern geprüft werde, liessen die Anwesenden unkommentiert. Stöckli meinte jedoch: «So wie ich die Verfassung interpretiere, verlangt diese, dass das Parlament in Bern tagt.»