Trister Anlass?So sieht Weihnachten hinter Gittern aus
Im Gefängnis sind die Feiertage trist. Die Verantwortlichen bemühen sich jedoch, den Insassen die Zeit angenehm zu gestalten. Keine einfache Aufgabe.
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Für die meisten Schweizer ist Weihnachten eine schöne Zeit. Die Kinder freuen sich auf die Geschenke, die Erwachsenen auf das Essen und den Wein. Man verbringt Zeit mit seinen Liebsten, singt Lieder, erzählt Geschichten und bestaunt den Weihnachtsbaum. Doch es gibt auch jene, die die Feiertage hinter verschlossenen Türen verbringen, ohne Familie und ohne Freunde. – Wie sieht eigentlich Weihnachten im Gefängnis aus?
Im Regionalgefängnis Bern hat Weihnachten bereits am vergangenen Freitag in Form eines Gottesdienstes begonnen. Dies aus Sicherheitsgründen. «Während den Weihnachtstagen arbeiten wir mit reduziertem Personal, deswegen haben wir die Andacht noch bei Vollbetrieb durchgeführt», sagt Leiterin Monika Kummer.
«Sie freuen sich einfach, wenn sie hinausdürfen»
Die Insassen durften in kleinen Gruppen – getrennt nach Haftregimen – am Gottesdienst teilnehmen. Dieser wurde von der Pfarrerin extra mehrmals abgehalten. «Rund 50 der 126 Inhaftierten haben daran teilgenommen. Darunter waren selbstverständlich auch Nicht-Christen. Die meisten freuen sich einfach, wenn sie aus der Zelle hinausdürfen».
Während den Weihnachtstagen selbst werden in Bern keine zusätzlichen Anlässe veranstaltet. Am 24. Dezember läuft noch Vollbetrieb. Dadurch können die offiziellen Besuchszeiten aufrechterhalten werden. «Das ist sowohl für die Insassen als auch für die Angehörigen und Freunde von grossem Wert», so Kummer.
Protest gegen Heilsarmee
In den vergangenen Jahren spielte die Heilsarmee jeweils am 25. Dezember auf den Stöcken. «Das führte aber zu kontroversen Reaktionen. Der Bezug zum christlichen Weihnachtsfest sei unter den Insassen sehr unterschiedlich. «Rund 80 Prozent unserer Inhaftierten sind Ausländer, ein Grossteil davon Moslems.» So sei es vorgekommen, dass die Häftlinge gegen die Zellentür gepoltert und protestiert hätten. «Für dieses Jahr habe ich entschieden, dass wir Musik und Gesang weglassen.»
Trotzdem werde den Insassen ein bisschen Weihnachtsgefühl vermittelt. Am 25./26. Dezember gibt es ein spezielles Menü: Brunch, Lammgigot, Schlemmerfilet, Salat, Teigwaren und als Überraschung ein Dessert. Die Inhaftierten bekommen ausserdem ein Geschenk, das von der Heilsarmee und dem Haus Felsenau, dem Verein für Gefangenen- und Entlassungsfürsorge, gespendet wird.
«Das sind hauptsächlich Alltagsgegenstände wie Duschmittel, Schreibblöcke, Agenden, Zahnpasten und Zahnbürsten sowie einige Süssigkeiten.» Kummer hätte auch gerne im Spazierhof mit einer geschmückten Tanne für weihnachtliche Stimmung gesorgt. Doch auch das geht aus Sicherheitsgründen nicht. «Sie könnten einen Ast abreissen und ihn als Waffe benutzen.»
«Vater möchte Kinder umarmen»
«Die Atmosphäre ist in den letzten Tagen sehr unterschiedlich», sagt Kummer. Insassen, die ihr Urteil nicht akzeptieren könnten, sich ungerecht behandelt fühlten oder psychisch angeschlagen seien, litten in dieser Zeit stärker. Einige seien traurig, dass sie nicht mit ihrer Familie feiern könnten, andere einfach aufgewühlter, dünnhäutiger und teilweise auch aggressiver als sonst.
Die Erwartungen an das Personal seien ebenfalls gestiegen, einige versuchten an deren Mitleid zu appellieren. Mit der Begründung, es sei ja schliesslich Weihnachten, erhofften sie sich weniger strenge Regeln. Die richtige Entscheidung zu treffen, sei nicht immer einfach. «Insbesondere, wenn Kinder im Spiel sind und wenn der Vater, der in Untersuchungshaft sitzt, sie in die Arme nehmen möchte. Hier lässt sich leider nicht jeder Wunsch erfüllen», so Kummer.
19 Stunden in einer 7,5 Quadratmeter kleinen Zelle
In der Justizvollzugsanstalt Lenzburg im Kanton Aargau herrscht an den Weihnachtstagen Wochenendbetrieb. Die Insassen verbringen je nach Tag 18 bis 19 Stunden in der Zelle. Der von den Seelsorgern organisierte Gottesdienst hat bereits am Dienstag stattgefunden. Im dafür vorgesehenen Raum steht sogar ein Christbaum. «Wir organisieren für jede bei uns vertretene Religion einen Feiertag im Jahr», sagt Direktor Marcel Ruf. Für die Christen sei es eben Weihnachten, für die Moslems würde am Ende des Ramadans das Bayram-Fest abgehalten.
Die Weihnachtszeit sei eine emotionale Zeit, sagt Ruf. Gefangene realisierten an diesen Tagen noch mehr, wie sehr sie von der Gesellschaft abgeschnitten sind. «Vor allem für Familienväter, die noch nicht so lange hier sind, ist es schwierig. Sie sitzen allein in einer siebeneinhalb Quadratmeter kleinen Zelle und wissen, dass ihre Kinder jetzt zu Hause unter dem Weihnachtsbaum auf sie warten.»
Seelsorger organisieren Weihnachten
Auch in der Justizvollzugsanstalt Solothurn wird eine kleine Feier organisiert. «Letztes Jahr hat eine der Seelsorgerinnen ihren Mann mitgebracht, der eine sehr schöne Stimme hat und sie haben gemeinsam Lieder gesungen», sagt Direktor Pablo Loosli. Danach habe es eine Andacht in einem schön geschmückten Raum gegeben. «Mit Nüssli und Mandarinen haben wir für eine weihnachtliche Stimmung gesorgt.»
Wie dieses Jahr die Feierlichkeiten genau aussehen werden, weiss Loosli nicht. Er werde das wieder den ausgebildeten Gefängnis-Seelsorgern überlassen. Er nehme aber regelmässig an den Weihnachtsanlässen teil, sagt er.