TV-Serie «The Missing Steps»So warnt der Bund in Nigeria vor der Schweiz
Mit einer TV-Serie will die Schweiz Nigerianer davon abhalten, in die Schweiz zu reisen. Laut dem Bund ist sie ein Publikumserfolg, die Wirksamkeit ist allerdings umstritten.
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- daw
Die Chancen, in der Schweiz zu bleiben, sind für Nigerianer minimal: 2017 erhielten nur 2,7 Prozent Schutz. (Video: Youtube/IOM Nigeria/Tamedia)
Nigerianer stellten im vergangenen Jahr 700 Asylgesuche in der Schweiz – obwohl die Chancen auf einen positiven Entscheid minimal sind. Die Schweiz hat darum die 13-teilige TV-Serie «The Missing Steps» finanziert, die bereits auf dem nigerianischen TV-Sender NTA zu sehen war. Die Nollywood-Produktion soll Nigerianer von der Reise nach Europa abhalten.
Seit dieser Woche ist die 450'000 Franken teure Serie auch auf Youtube abrufbar. Die Hauptfigur, der Student Joshua Brown, gelangt auf der Mittelmeerroute nach Bern, wo er sich im Paradies wähnt. Er brauche nur eine «Story zu kochen», dass er verfolgt sei, dann werde er als Flüchtling anerkannt und dürfe bleiben, verspricht ihm ein Freund. Die Freude ist allerdings von kurzer Dauer: Im Asylzentrum kommt er mit strengen Behördenvertreterinnen in Kontakt – diese nehmen ihm die Fingerabdrücke und erklären ihm, dass gemäss Dublin-Abkommen Italien für seinen Fall zuständig ist.
Bund: In Nigeria ist die Serie ein Hit
Dann wirds dramatisch: Joshua taucht unter, flüchtet vor der Polizei, liefert Kokain aus und arbeitet illegal auf einer asbestverseuchten Baustelle, wo er einen Arbeitsunfall erleidet. Schliesslich wird der Sans-Papier beim Schwarzfahren im Tram erwischt und ausgeschafft. Nach vier Jahren kehrt er nach Lagos zurück, wo seine Jugendliebe inzwischen einen anderen Mann geheiratet hat. Joshua erkennt, dass er die besten Jahre seines Lebens verschenkt hat.
Die Serie erreicht nicht das Niveau einer SRG-Eigenproduktion: Die Lautstärke variiert zum Teil unangenehm stark, einige Szenen wirken sehr gestellt. Trotzdem ist die Serie gemäss dem Staatssekretariat für Migration (SEM) ein wahrer Publikumshit: Laut Sprecher Lukas Rieder wird sie nicht nur ein zweites Mal auf NTA, sondern auch auf dem Privatsender DSTV ausgestrahlt. Zugleich würden 200'000 DVD produziert und durch die nigerianischen Behörden gratis verteilt.
«Botschaft kommt nicht an»
Bei Nigerianer in der Schweiz stösst die Soap aber auf Kritik. So sagt Emmanuel Ewhrawhra, Gründer der Plattform Tellnigerians.com, die Serie habe in Nigeria in den sozialen Netzwerken kaum für Reaktionen gesorgt. Dies liege daran, dass mit Charles Okafor ein alternder Regisseur aus dem Ruhestand geholt worden sei.
Überhaupt zweifelt er, dass die fiktionale Serie geeignet sei, die gewünschte Botschaft zu übertragen: «In Nigeria sieht man das einfach als Nollywood-Streifen, ohne dass man weiter darüber nachdenkt.» Statt eines Spielfilms müsste man eine Dokumentation produzieren – mit echten Schicksalen, «die zu Hause auch geglaubt werden». «Leider haben weder der Regisseur noch die Schauspieler eine Ahnung von der Schweiz. Die Nigerianer in der Schweiz wurden nicht einbezogen. Das ist sehr schade.»
«Fragwürdig» findet auch Michael Flückiger, Sprecher der Flüchtlingshilfe, den Film: «Ein solches Projekt ist nur sinnvoll, wenn man die Wirkung messen kann. Ob das hier möglich ist, darf bezweifelt werden.» Es stelle sich die Frage, ob der Film überhaupt ernst genommen werde und die richtigen Leute erreiche. Zudem bestehe die Gefahr, dass Vorurteile zementiert werden, wenn der Hauptdarsteller zumDrogendealer werde.
Nutzen soll gemessen werden
Wie es beim SEM anlässlich des Drehs der Serie in Bern hiess, sind fehlende oder falsche Informationen häufig Ursache der irregulären Migration. Mit dem Film wolle man «objektive Informationen über die Migration liefern». Anders als bisherige Aufklärungsvideos soll die Serie bewusst keinen «didaktisch-aufklärerischen» Anstrich haben. Sie solle leicht zu konsumieren sein, «mit dem typischen Nollywood-Flair versehen», sagte ein Sprecher.
Das SEM hat die Internationale Organisation für Migration IOM in Nigeria damit beauftragt, die Wirkung der Serie zu messen. 20 Minuten hat der IOM vor Wochen einige Fragen zu den Zuschauerzahlen und zur Methodik der Evaluation gestellt. Sie blieben trotz Nachfrage unbeantwortet.