Grosse MassnahmenpaletteSo will Sommaruga Menschenhändler stoppen
Die Schweiz ist ein Tummelplatz für Kriminelle, die Frauen und Kinder wie eine Ware behandeln. Das soll sich nun ändern: Der Bundesrat macht vorwärts mit härterer Strafverfolgung.
- von
- Simon Hehli

Simonetta Sommaruga erklärt an einer Tagung in Bern, was die Schweiz gegen den Menschenhandel unternehmen will.
Ist die junge Prostituierte auf dem städtischen Strassenstrich oder im Landbordell ein Opfer von Menschenhandel? Wird sie von ihren Zuhältern gefangen gehalten, systematisch verprügelt und eingeschüchtert? Kaum ein Freier, der auf billigen und schnellen Sex aus ist, stellt sich diese Frage. Doch das soll sich nun ändern: Die bessere Sensibilisierung der Bevölkerung ist eines der wichtigsten Ziele im nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel.
Dies hatte Justizministerin Simonetta Sommaruga im Interview mit 20 Minuten Online angekündigt. Heute Donnerstag stellte sie nun in Bern die 23 konkreten Massnahmen des Aktionsplans vor. Das sind dessen wichtigste Punkte:
Das Bundesamt für Polizei erarbeitet bis 2013 die gesetzlichen Grundlagen, damit der Bund Präventionsmassnahmen gegen den Menschenhandel ergreifen kann. Dazu gehören Öffentlichkeitskampagnen, welche die Bevölkerung auf die Ausbeutung von Frauen und Kindern aufmerksam machen. Aber auch die Forschung soll intensiviert werden: Es gibt bisher keine verlässlichen Zahlen zu Opfer und Tätern. Ob sich das ändern lässt, ist jedoch unklar. Der Menschenhandel findet im Verborgenen statt, es ist sehr schwierig, in die kriminellen Netzwerke vorzudringen.
Seit 2007 wurden bereits 150 Spezialisten ausgebildet, die nun in Polizeikorps und Staatsanwaltschaften Jagd auf Menschenhändler machen. Diese Ausbildungen gehen weiter, wobei künftig Opferhilfeorganisationen und Migrationsbehörden mit an Bord sein werden. Eine stärkere Sensibilisierung von Streifepolizisten soll dazu beitragen, dass sie mögliche Opfer erkennen und die richtigen Schritte einleiten. Weil Fahndung nach Menschenhändlern zu komplex sind für Einzelkämpfer, gibt es künftig bei der Polizei spezielle Ermittlungsgruppen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Grenzwachtkorps soll enger werden.
Damit die Strafuntersuchungen effizienter und erfolgreicher werden, werden sich einzelne Staatsanwälte auf die Bestrafung von Schleppern und Zuhältern spezialisieren. Wie Sommaruga bereits im Interview ankündigte, prüft das Bundesamt für Justiz auch, komplexe Fälle von Menschenhandel dem Bundesstrafgericht anzuvertrauen. Denn die kantonalen Behörden sind schnell überfordert, wenn eine international tätige Bande am Werk ist.
Bisher gehen die Kantone ganz unterschiedlich mit den Opfern um. Die Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel erarbeitet bis nächstes Jahr ein nationales Schutzprogramm. Es soll den ausgebeuteten Frauen helfen, aus der Prostitution auszusteigen und sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren – meist in ihrem Herkunftsland. Sie befinden sich auch nach ihrer Befreiung noch oft in einer prekären Lage: Sie sind traumatisiert, sprechen kaum eine Landessprache und müssen sich vor der Rache ihrer Peiniger fürchten. Deshalb sollen die Kantone spezielle Opferhilfestellen schaffen oder verstärkt mit nichtstaatlichen Frauenschutz-Organisationen zusammenarbeiten.
Die mit Rumänien erfolgreich erprobte Zusammenarbeit mit einem Herkunftsland wird auf Staaten wie Ungarn und Rumänien ausgedehnt. Das hat einerseits präventiven Charakter: Sind die Länder im Kampf gegen die Schlepperbanden erfolgreich, kommen weniger Opfer in die Schweiz. Andererseits hilft die Kooperation auch dabei mit, den verschleppten Frauen in der Heimat wieder eine Existenz zu ermöglichen. Bereits sind die Voraussetzungen für so genannte Spiegelverfahren geschaffen: Das sind zeitlich und sachlich aufeinander abgestimmte Strafverfahren gegen das gesamte Täternetzwerk sowohl in der Schweiz als auch im Herkunftsland.
Die Schweiz stand in den letzten Jahren immer wieder in der Kritik, weil die Justiz nur wenige und milde Urteile gegen Menschenhändler sprach. Dennoch enthält der Aktionsplan in diesem Bereich keine konkrete Massnahme. Wie Sommaruga betont, gab es zuletzt immerhin eine Tendenz zu härteren Strafen. Priorität hat derzeit ein besserer Opferschutz. Denn nur wenn die Frauen als einzige Zeuginnen bereit sind, gegen ihre Ausbeuter auszusagen, können die Richter die hohen Haftstrafen verhängen, die das Gesetz bereits jetzt vorsieht.