Überwachung leicht gemachtSoftware kann jedes Handy der Welt orten
Mobilfunkanbieter nutzen ein jahrzehntealtes System, um untereinander Telefonverbindungen herzustellen. Wird es angezapft, können Handys überall lokalisiert werden.
- von
- pst/jcg

Standortinformationen von Handys sind nicht sicher.
Kommerzielle Unternehmen im Bereich der Überwachung bieten seit einiger Zeit Systeme an, die es dem Käufer auf einfache Art ermöglichen, den Standort von Handys aufzuspüren. Die Computerprogramme können praktisch jedes Mobiltelefon nur anhand der Telefonnummer orten. Abhängig von der Netzabdeckung schwankt die Genauigkeit dabei zwischen einem Umkreis von einigen Kilometern und einem Häuserblock.
Zwar würde die Software vornehmlich Behörden und Regierungen angeboten, berichtet die «Washington Post». Doch weiss niemand genau, wie oft und an wen die Systeme bisher verkauft wurden. Laut einem Insider hätten mehrere Länder im Lauf der vergangenen Jahre die Software gekauft oder geleast, wobei nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie auch an private Gruppen oder Personen verhökert wurde. Fakten sind schwierig zu beschaffen, da diese Firmen kaum Informationen über ihre Produkte und Kunden öffentlich zugänglich machen.
Sicherheitslücke SS7
Ermöglicht wird die Lokalisierung durch den sogenannten SS7-Standard. Dieser dient Mobilfunkanbietern zum Aufbau weltweiter Telefonanrufe und Datenverbindungen zwischen mobilen Endgeräten. Dies nutzen die Überwachungssysteme aus und greifen heimlich die SS7-Daten ab. So wissen sie, in welcher Funkzelle sich ein Handy gerade befindet oder zuletzt aufgehalten hat.
Die Sicherheit von SS7 ist sehr schwach. Es wurde vor Jahrzehnten geschaffen, als nur einige wenige Unternehmen im Mobilfunk tätig waren. Inzwischen versorgen tausende Firmen Milliarden von Geräten. Sie alle haben Zugriff auf SS7 und könnten diesen mit den Herstellern der Überwachungssysteme teilen. Diese können dann selber Anfragen senden, um zu erfahren, wo sich ein Gerät mit einer spezifischen Telefonnummer befindet.
75 Prozent Erfolgsquote
Zwar haben die Mobilfunkanbieter ihre Systeme so konfiguriert, dass die Funkzellenauskunft nur an vertrauenswürdige Abnehmer geht. Allerdings gehen Experten davon aus, dass diese Sicherheitsmassnahme relativ leicht umgangen werden kann. Das Pariser IT-Sicherheitsunternehmen P1 Security war eigenen Angaben zufolge in 75 Prozent der Fälle erfolgreich.
Damit können solche Überwachungssysteme zu einer ernstzunehmenden Gefahr werden. Bisher war es nur mächtigen Organisationen wie dem US-Geheimdienst NSA oder dem britischen GCHQ möglich, mit grossem Aufwand entsprechende Überwachungen durchzuführen. Mit den neuen Systemen können Experten zufolge nun auch technisch weniger entwickelte Regierungen ganz einfach Bewegungsprofile von Personen in jedem Land der Welt erstellen. Und auch Hacker, kriminelle Organisationen und von Sanktionen betroffene Nationen könnten solche Systeme nutzen.