Odermatt im Interview«Man ist fast gezwungen, den Privatjet oder Helikopter zu nehmen»
Marco Odermatt ist mit Doppelgold von der WM abgereist. Im Interview zieht er sein Fazit über die grandiose Weltmeisterschaft.

- von
- Sven Forster
Marco Odermatt sprach nach dem Riesen-Sieg von einem Heimrennen.
Darum gehts
Der Schweizer Ski-König spricht über seine fantastische WM.
Odermatt äussert sich zur Party, seinen Emotionen und auch zu zahlreichen Gratulationen.
Am Dienstag steht bereits die nächste Nordamerika-Reise auf dem Programm.
Marco Odermatt, können Sie rückblickend Ihre Emotionen nach dem Abfahrtssieg erklären?
Es waren Emotionen, die ich noch nie gespürt habe. Wieso genau, kann ich gar nicht sagen. Es ist eigentlich nicht aus einer Druck-Situation entstanden respektive hat der vierte Platz im Super-G es wahrscheinlich etwas verstärkt. Ich habe gemerkt, es war eine perfekte Fahrt, dann kam es einfach raus.
Gab es einen Moment, in dem Sie die Abfahrts-Emotionen wegschieben und den Blick nach vorne richten mussten?
Ich habe bewusst danach zwei Tage nicht trainiert. Bis ich nur schon mal alle meine sieben Sachen im Kopf wieder sortiert hatte und die hundert Nachrichten beantwortet habe, brauchte es Zeit.
Konnten Sie alle Nachrichten beantworten?
Ich schreibe normalerweise schon eine Nachricht, auch wenn sie nur kopiert ist. In diesem Jahr war es ein Foto der Medaille und ein paar Smileys.
«Nach dem Riesenslalom hat das Feiern nicht so geklappt.»
Sie haben nach dem Abfahrtssieg am Sonntag intensiv gefeiert. Gehörte das auch dazu, die Emotionen zu verarbeiten?
Ja, sicherlich. Darüber haben wir auch am Freitag nach dem Riesenslalom gesprochen. Da hat das Feiern nicht so ganz funktioniert. Das muss einfach passieren und ich bin froh, dass es so cool geworden ist.
Von Ihnen gibt es jetzt ja viele Videos in den sozialen Medien, wie Sie feiern und auch mal was trinken. Ist das ein Image, das Ihnen gefällt oder das Sie eher stört?
Weder noch, aber das ist halt ein bisschen ein Nachteil in unserem Zeitalter, da haben es meine Vorgänger wohl etwas einfacher gehabt. Das ist jetzt halt so. Mich stört es aber überhaupt nicht, solange man liefert, kann man auch feiern. Das soll auch so sein, das bin ich auch als Typ. Wenn es jemanden stört, dann ist es mir egal.
Odermatt etwas angetrunken im SRF-Studio.
Fühlen Sie sich nicht beobachtet?
Es kommt immer auf die Situation an. Wenn man nach Abfahrtsgold in einer Après-Ski-Hütte feiert, ist mir das sehr egal. Im September in Luzern in einem Pub würde ich wahrscheinlich aber nicht so auftreten.
Was haben Sie für Rückmeldungen auf die Bilder und Videos erhalten?
Keine eigentlich, die Personen, mit denen ich während der WM Kontakt habe, kennen mich und für die ist das normal.
Geht Ihnen das Händeschütteln nicht manchmal auf die Nerven?
Eigentlich meinen es ja alle gut. Aber irgendwann ist man müde. Die Tage sind lang. Man hat immer das Gefühl, es sehe so einfach aus und ich gewinne einfach immer. Aber so einfach ist es nicht, es braucht sehr viel Energie.
Die Trainer haben die Riesenslalom-Läufe schon öfters gegen Sie gesteckt. Ist das etwas, woran Sie arbeiten müssen?
Es ist mir auch schon aufgefallen, dass es eher gegen mich als für den eigenen Athleten ist. Ich habe mit fünf Siegen in sechs Rennen aber gezeigt, dass es bei allen Bedingungen funktionieren kann.
Ihr Vater ist ja sehr emotional. Was macht das mit Ihnen?
Es ist natürlich speziell, wenn man den eigenen Vater weinen sieht. Aber er ist ein emotionaler Mensch und dann darf man das ruhig zulassen. Er war schon immer ein Schlosshund (lacht).
Wird Marco Odermatt den Gesamtweltcup gewinnen?
Am Dienstag fliegen Sie bereits nach Nordamerika zu den nächsten Rennen? Wie sieht die Pause bei Ihnen aus, verstecken Sie sich da fast?
Ich organisiere mir sicher keinen Empfang selber (lacht) und gehe mich zeigen. Man fängt halt an zu waschen, packt aus und nach 24 Stunden packt man wieder.
Wie bleibt man hungrig nach so vielen Erfolgen?
Für diese Saison ist das nicht so schwierig. Der Sieg im Gesamtweltcup bedeutet mir sehr viel, darum möchte ich die grosse Kristallkugel auch wieder gewinnen.
Hatten Sie während der WM nie einen Lagerkoller?
Man ist schon lange an einem Ort und kann nur mässig viel machen. Einen Lagerkoller hatte ich aber definitiv nicht. Hier hatten wir ein cooles Hotel, eigene Köche und oft unterschiedlich gegessen. Man konnte die Eltern, Freundin und Familie treffen, das hilft schon.
Diverse Ski-Fahrerinnen und -Fahrer haben während der WM einen offenen Brief an die FIS geschrieben, in dem sie fordern, dass der Skisport sich stärker für den Klimaschutz einsetzen müsse. Darunter war auch Mikaela Shiffrin. War das bei Ihnen auch ein Thema?
Es war ein Thema. Ich wollte aber meinen Namen nicht an vorderster Front setzen, weil ich den Forderungen nicht zu 100 Prozent gerecht werden kann. Als Topathleten, die so viele Rennen fahren, ist man ja fast gezwungen, mit einem Privatjet und Helikopter zu reisen – das geht ja nicht anders. Darum bin ich auch einer, der in diesem Thema ruhiger bleibt. Ich verstehe es nur bedingt, dass Mikaela Shiffrin unterschrieben hat. Sie ist durch ihren Geburtsort in den USA ja gezwungen, etwas mehr zu fliegen.
Sie sehen das Thema also gelassen?
Man kann sicherlich besser planen. Zum Beispiel die zweite Nordamerika-Reise, auch wenn ich das nicht ganz so tragisch sehe. Es gibt 100 Orte, wo man einen Schritt machen kann und so seinen Beitrag leistet. Es ist halt aber ein Weltcup und kein Europacup. Das ist ein Nachteil dieses Jobs.
*Das Interview wurde mit vier weiteren Schweizer Journalisten geführt.
Dein tägliches Sport-Update
Erhalte täglich brandaktuelle News aus der Welt des Sports. Ob Interviews, Porträts, Spielberichte oder Analysen: Unsere Reporter informieren dich direkt in deinem Postfach.