Neuer Verfassungsartikel: Sommaruga will Frauenquote im Bundesrat

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Neuer VerfassungsartikelSommaruga will Frauenquote im Bundesrat

Justizministerin Simonetta Sommaruga möchte mit einer Quote verhindern, dass sie bald als einzige Frau im Bundesrat sitzt. Eine SVP-Frau findet das unnötig.

P. Michel
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«Wir haben schon heute mehrere weiche Quoten für den Bundesrat: die Zauberformel für die Parteien, die Berücksichtigung der Regionen und der Sprachen – warum nicht auch für die Geschlechterverteilung?» Diese Forderung stellte Justizministerin Simonetta Sommaruga im Migros-Magazin auf.

«Wir haben schon heute mehrere weiche Quoten für den Bundesrat: die Zauberformel für die Parteien, die Berücksichtigung der Regionen und der Sprachen – warum nicht auch für die Geschlechterverteilung?» Diese Forderung stellte Justizministerin Simonetta Sommaruga im Migros-Magazin auf.

Keystone/Peter Schneider
Nationalrätin Maya Graf (Grüne) jubelt: «Es ist ein Armutszeugnis für unsere Demokratie, dass die Frauen, die die Hälfte der Stimmbürger ausmachen, nicht angemessen in der Landesregierung repräsentiert sind.»

Nationalrätin Maya Graf (Grüne) jubelt: «Es ist ein Armutszeugnis für unsere Demokratie, dass die Frauen, die die Hälfte der Stimmbürger ausmachen, nicht angemessen in der Landesregierung repräsentiert sind.»

Keystone/Gaetan Bally
Im September 2010 gab es mit der Wahl von Simonetta Sommaruga (SP) erstmals eine Frauenmehrheit im Bundesrat. Sie hielt nur ein Jahr lang und endete mit dem Rücktritt von Micheline Calmy-Rey 2011 (SP).

Im September 2010 gab es mit der Wahl von Simonetta Sommaruga (SP) erstmals eine Frauenmehrheit im Bundesrat. Sie hielt nur ein Jahr lang und endete mit dem Rücktritt von Micheline Calmy-Rey 2011 (SP).

Politik ist in der Schweiz Männersache. Das wird besonders deutlich, wenn man die 176 männlichen Politiker aus der Vereinigten Bundesversammlung herausretuschiert: Zurück bleiben 76 Frauen, was einem Anteil von 29 Prozent entspricht.

Auch im Bundesrat lichten sich die Reihen: Im Vergleich zum November 2010, als erstmals vier Frauen im Bundesrat sassen, sind nun Justizministerin Simonetta Sommaruga und Umweltministerin Doris Leuthard die einzigen Frauen im Bundesrat. Und der Frauenanteil könnte weiter sinken: Doris Leuthard hat auf 2019 ihren Rücktritt angekündigt. Folgt auf sie keine Frau, wäre Sommaruga die einzige verbleibende Bundesrätin.

«Ich hoffe wirklich sehr, dass es nicht so weit kommt», erklärte Sommaruga nun im Migros-Magazin. Es sei wichtig, dass sich die Bevölkerung in ihrer Vielfalt mit dem Bundesrat identifizieren könne, und dazu brauche es eben mehr als nur eine Frau im Bundesrat.

Folgt auf die Zauberformel die Frauenquote?

Sie kann sich deshalb eine Frauenquote für den Bundesrat vorstellen: «Wir haben schon heute mehrere weiche Quoten für den Bundesrat: die Zauberformel für die Parteien, die Berücksichtigung der Regionen und der Sprachen – warum nicht auch für die Geschlechterverteilung?», so Sommaruga.

Nationalrätin Maya Graf (Grüne) ist «sehr erfreut» vom Vorpreschen Sommarugas. Sie hat eine parlamentarische Initiative eingereicht, die in dieselbe Richtung zielt: Sie fordert, dass in der Verfassung neben der Berücksichtigung der Sprachregionen und der Landesgegenden auch die angemessene Vertretung der Geschlechter verankert wird.

«Es ist ein Armutszeugnis für unsere Demokratie, dass die Frauen, die die Hälfte der Stimmbürger ausmachen, nicht angemessen in der Landesregierung repräsentiert sind», so Graf. Indem die Bundesverfassung ergänzt wird, würden die Parteien dazu gezwungen, Frauen zu fördern und auch zu wählen.

«Frauen entscheiden weitsichtiger»

Als angemessene Vertretung betrachtet Graf die abwechselnde Mehrheit von Frauen und Männern im Bundesrat. «Es können einmal 4 Frauen und 3 Männer, dann wieder 3 Frauen und 4 Männer sein.» Dieses Rotations-Prinzip funktioniere bei der Berücksichtigung der Landesteile, wie die Wahl des Tessiners Ignazio Cassis gezeigt habe, bereits bestens.

Die Notwendigkeit von mindestens drei Frauen im Bundesrat sieht Graf darin, «dass auch weibliche Erfahrungen und Kompetenzen dringend in die Landesregierung gehören». So fänden sich Lösungen für die ganze Gesellschaft.

«Das Jahr zwischen 2010 und 2011, in dem die Frauen im Bundesrat die Mehrheit stellten, war sehr erfolgeich», sagt Graf. Dies liege daran, dass Frauen anders politisierten: «Sie entscheiden sachlicher, unabhängiger und weitsichtiger.» Dies habe sich etwa beim Atomausstieg oder beim Entscheid, den Schweizer Finanzplatz auf eine Weissgeldstrategie auszurichten, gezeigt.

«Als Nächstes käme die Quote für Homosexuelle»

Kein Verständnis für Quoten im Bundesrat hat SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann. «Das Geschlecht ist für mich kein Kriterium. Ein Bundesrat oder eine Bundesrätin muss inhaltlich überzeugen.» Wenn bei zukünftigen Bundesratswahlen die Parteien keine überzeugenden Kandidatinnen präsentieren können, ist für Steinemann klar: «Ich habe lieber einen qualifizierten Gesamtbundesrat, der nur aus Männern besteht, als einen mit vier mittelmässigen Frauen.»

Wenn in der Bundesverfassung neben Sprachen und Regionen auch eine angemessene Vertretung der Frauen in der Landesregierung festgehalten würde, wird laut Steinemann Tür und Tor für weitere Quoten im Bundesrat geöffnet: «Als Nächstes käme die Quote für Homosexuelle oder eingebürgerte Secondos.»

Treffen Frauen die besseren Entscheidungen?

Steinemann ist überzeugt, dass Frauen eine Quote nicht nötig haben. Dabei verweist sie auf Doris Leuthard, die 2006 in den Bundesrat gewählt wurde: «Ist eine Frau kompetent und kann überzeugen, marschiert sie ohne Probleme in den Bundesrat.»

Die SVP-Politikerin stellt auch infrage, inwiefern die Frauen im Bundesrat zu besseren Entscheidungen beitragen. «Das ist nicht bewiesen und ein Mythos, den die Linken gern bemühen.» Wenn diese von besseren Entscheiden sprächen, meinten sie eigentlich: «Entscheide, die ihnen passen.»

Das sagt Sommaruga zur Kritik von rechts

«Wer so argumentiert, müsste auch das Kriterium der Landesgegend und der Sprachregion kritisieren, die das Parlament bei der Wahl des Bundesrats zu berücksichtigen hat.» Letztlich sei es aber im Interesse von allen, dass die Bevölkerungsstruktur im Bundesrat gut abgebildet sei: Nach Region und Sprache, aber eben auch nach Geschlecht. (pam)

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