SP gegen SVP – kämpfen ukrainische Soldaten bald mit Schweizer Waffen?

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StreitgesprächSP gegen SVP – kämpfen ukrainische Soldaten bald mit Schweizer Waffen?

Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats will, dass Schweizer Kriegsmaterial im russisch-ukrainischen Krieg zum Einsatz kommen darf. Ein Streitgespräch.

Christina Pirskanen
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Christina Pirskanen
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SVP-Nationalrat Mauro Tuena und SP-Nationalrätin Franziska Roth sind beide Mitglieder der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Sie diskutieren im 20-Minuten-Streitgespräch den Entscheid zur Wiederausfuhr von Kriegsmaterial.

SVP-Nationalrat Mauro Tuena und SP-Nationalrätin Franziska Roth sind beide Mitglieder der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Sie diskutieren im 20-Minuten-Streitgespräch den Entscheid zur Wiederausfuhr von Kriegsmaterial.

Fotomontage: 20min
Schweizer Waffen im russisch-ukrainischen Krieg – ist das gut? Nein, die Neutralität sei so gänzlich aufgegeben, sagt Tuena, während Roth die Wiederausfuhr durch demokratische Länder begrüsst.

Schweizer Waffen im russisch-ukrainischen Krieg – ist das gut? Nein, die Neutralität sei so gänzlich aufgegeben, sagt Tuena, während Roth die Wiederausfuhr durch demokratische Länder begrüsst.

20min/Matthias Spicher
Roth sagt, die Wiederausfuhren seien neutralitätsrechtlich unproblematisch. Tuena hingegen stufe die Vorstösse als unhaltbar ein.

Roth sagt, die Wiederausfuhren seien neutralitätsrechtlich unproblematisch. Tuena hingegen stufe die Vorstösse als unhaltbar ein.

20min/Matthias Spicher

Darum gehts

  • Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SIK) will, dass Schweizer Waffen unter gewissen Umständen an kriegsführende Staaten weitergegeben werden dürfen.

  • SP-Nationalrätin Franziska Roth und SVP-Nationalrat Mauro Tuena, welche beide Mitglieder der SIK sind, debattieren über die Schweizer Neutralität.

Was bedeutet die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial für die Schweizer Neutralität? Das debattieren SVP-Nationalrat Mauro Tuena und SP-Nationalrätin Franziska Roth im 20-Minuten-Streitgespräch.

Schweizer Waffen im Krieg in der Ukraine – ist das gut?

Tuena: Die Schweiz ist seit über 200 Jahren in keinen bewaffneten Konflikt involviert. Diesen Umstand verdanken wir unserer strikten Neutralität. Würde die Schweiz Waffenlieferungen in ein Land, welches in einen bewaffneten Konflikt verwickelt ist, zulassen, würde die bewährte Neutralität gänzlich aufgegeben.

Roth: Deutschland, Spanien, Polen sind nicht in den Konflikt involviert. Es geht um die Wiederausfuhr, die wir demokratischen Ländern ermöglichen. Die SP setzt sich in erster Linie für Friedensförderung und humanitäre Einsätze ein und verlangt Gelder für den Wiederaufbau sowie die strikte Umsetzung der Sanktionen gegen Russland.

Tuena: Mit den Vorstössen verlangt die Mehrheit, dass Schweizer Waffen in die Ukraine geliefert werden dürfen. Punkt! Das hat mit humanitären Einsätzen und Geldern für Wiederaufbau nichts zu tun.

Ist die Schweiz dann noch neutral?

Roth: Ja, dies ist neutralitätsrechtlich unproblematisch. Die Haager Konventionen verbieten nur direkte Waffenlieferungen von Neutralen an in bewaffnete Konflikte involvierte Staaten – die Erteilungen von Wiederausfuhrbewilligungen sind neutralitätsrechtlich nicht verboten.

Tuena: Nein. Die Schweiz wird weltweit für ihre Neutralität geschätzt und respektiert. Unzählige Male konnte sie auf neutralem Boden in unserem Land wichtige Vermittlerdienste zwischen zerstrittenen Nationen anbieten. Aus Gründen der Neutralität sind in der Schweiz unzählige internationale Organisationen domiziliert. Die Vorstösse sind neutralitätsrechtlich nicht haltbar. Ein neutraler Staat muss gemäss Haager Abkommen bei Waffenlieferungen alle Kriegsparteien gleich behandeln.

Roth: Unser klares Bekenntnis zum Völkerrecht ist unsere Stärke. Darum sind die Organisationen hier.

Knickt die Schweiz vor dem Druck aus der EU ein?

Roth: Nein. Wir kooperieren mit ihnen. Die Schweiz handelt im Rahmen des Völkerrechts und unterstützt unsere Nachbarländer in ihren Bemühungen, die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen.

Tuena: Sich als Schweiz von der EU erpressen zu lassen, hat mit Kooperation nichts zu tun. Einmal mehr knicken SP, Mitte und FDP vor dem Druck der EU ein. Das ist brandgefährlich. Deutschland wollte mit der Diskussion über eine Lieferung der Gepard-Munition von seinen eigenen Problemen und internen Diskussionen ablenken. Auf solches fällt die SVP nicht herein.

Roth: Solidarität und Kooperation mit den Ländern, die gemeinsam mit uns die Demokratie verteidigen, ist unabdingbar. Da müssen wir völkerrechtskonform Hand bieten.

Die Motion ist relativ offen formuliert: Landen Schweizer Waffen bald auch in anderen Kriegsgebieten?

Tuena: Die Motion ist neutralitätsrechtlich bedenklich, der andere Vorstoss gar widerrechtlich. Mit dem überwiesenen Motionstext wäre es durchaus möglich, dass Schweizer Waffen auch in andere Kriegsgebiete geliefert werden könnten. Das Parlament muss sich dessen in der Plenumsdebatte bewusst sein. Die SVP lehnt beide Vorstösse ab.

Roth: Es ist eine Kann-Formulierung, der Bundesrat hat einen Ermessensspielraum und kann andere aussenpolitische Interessen anführen, um die Genehmigung zu verweigern. Unsere Motion stärkt die Verteidigung der Demokratie, respektiert das Völkerrecht und macht uns noch solidarischer. Sie stellt eine sehr eng gefasste Ausnahme für die Ukraine dar. Die SP setzt sich weiterhin für ein restriktives Kriegsmaterialgesetz und gegen Schweizer Waffen in Kriegsgebieten ein. Angesichts des eklatant völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine muss hier jedoch eine Ausnahme geschaffen werden. Wenn der bewaffnete Konflikt in der Ukraine beendet wird, sind Wiederausfuhren in die Ukraine ebenfalls nicht mehr zulässig.

Tuena: Die Formulierung lässt sehr viel Interpretationsspielraum. Die SP, FDP und Mitte verwässern das Kriegsmaterialgesetz. Das ist brandgefährlich für die Schweiz.

Motion und Parlamentarische Initiative

Die Motion «Änderung des Kriegsmaterialgesetzes» verlangt, dass der Bundesrat, auf Gesuch einer ausländischen Regierung, die Nichtwiederausfuhr-Erklärung aufheben kann. Dies, wenn der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen Widerspruch zum völkerrechtlichen Gewaltverbot feststellt und der Schweiz keine überwiegenden aussenpolitischen Interessen entgegenstehen.

Die parlamentarische Initiative «Lex Ukraine» richtet sich an den Krieg zwischen der Ukraine und Russland. Sie verlangt, dass in diesem konkreten Zusammenhang die Nichtwiederausfuhr-Erklärung hinfällig wird.

Beide Vorstösse werden als nächstes in der Frühjahrssession vom Nationalrat behandelt.

Befürwortest du, dass die Nichtwiederausfuhr-Erklärung aufgehoben werden soll?

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