E-PorscheSpass in einem Porsche braucht keinen Verbrenner
Mit dem Mission E Cross Turismo will Porsche die SUV-Szene in Zukunft aufmischen. Thomas Geiger war mit der Studie auf Testfahrt in Kalifornien.
- von
- Thomas Geiger
Ein alter Mercedes SL, ein Ferrari California, zwei, drei Lamborghini, Bentley und Rolls-Royce in allen Farben und Formen und ein halbes Dutzend Tesla Model X oder Model S – auf dem Parkplatz des Restaurants Nobu in Malibu trifft sich die Haute Voiture von Los Angeles. Doch diesmal hat dafür niemand einen Blick, denn hier und heute starrt alles auf ein Auto, das es eigentlich noch gar nicht gibt: Drei Monate nach der Premiere am Autosalon in Genf gönnt Porsche dem Mission E Cross Turismo einen kurzen Ausflug in die Wirklichkeit und schickt die elektrische Studie auf Testfahrt über den Pacific Coast Highway und durch die Hollywood Hills.
Meilenstein auf dem Weg in die elektrische Porsche-Zukunft?
«Wir wollen herausfinden, ob und wie das Konzept bei unseren Kunden ankommen würde», sagt Baureihenleiter Stefan Weckbach über den Crossover an der Nahstelle zwischen Kombi, Coupé und SUV, der nach der für Ende 2019 avisierten Sportlimousine zum zweiten Meilenstein auf dem Weg in die elektrische Porsche-Zukunft werden könnte. Und er will ein für allemal beweisen, dass es keinen Verbrennungsmotor braucht, um mit einem Porsche Spass zu haben.
Mit dem Mission E Cross Turismo will Porsche die SUV-Szene in Zukunft aufmischen. Thomas Geiger war mit der Studie auf Testfahrt in Kalifornien.
Für beides gibt es kaum einen besseren Platz als das Küstengebirge rund um Los Angeles. Hier, wo es in manchen Strassenzügen mittlerweile mehr Tesla gibt als Toyota, muss man Elektromobilität zwar nicht mehr erklären. Und natürlich hat das Nobu eine ganze Reihe von Ladesäulen. Doch in einem Landstrich, in dem das Leben zwischen Bergen, Beach und Boulevard stattfindet und der derzeit einzige elektrische Geländewagen der klobige Tesla Model X ist (der Jaguar I-Pace steht in den Startlöchern), gibt es viel Bedarf für ein Lifestyle- und Freizeitauto, das eleganter ist und trotzdem einen alltagstauglichen Aktionsradius hat. Und wer einmal mit einem Akku-Auto durch den Topanga-Canyon oder über den Mulholland-Drive gefahren ist, der weiss, wie segensreich das gewaltige Leistungs- und Drehmomentniveau eines Elektroautos ist.
«Ein Porsche muss immer wie ein Porsche fahren»
Erst recht, wenn auf der Haube ein Porsche-Wappen klebt: Zwei Motoren mit zusammen über 600 PS garantieren einen Sprint von 0 auf 100 in weniger als 3,5 Sekunden. Und wenn es hier irgendwo eine hinreichend lange Gerade gäbe in den Hollywood-Hills, dann würde der Cross Turismo mehr als 250 km/h schaffen, verspricht Weckbach. Denn egal mit was für einem Motor er angetrieben wird, ein Porsche muss immer wie ein Porsche fahren, sagt der Entwickler, während die Studie handlich und leichtfüssig durch die Kurven fräst. Es dauert nur ein paar Minuten, dann fühlt man sich Dank der variablen Kraftverteilung zwischen den Achsen, der Allradlenkung und dem spontanen Antritt eher wie im einem Elfer als im Panamera – dabei misst der Prototyp fast fünf Meter und wiegt mehr als zwei Tonnen. Schliesslich steckt im Wagenboden ein Akku von rund 90 kW/h Kapazität, der auf dem Prüfstand für mehr als 500 Kilometer reichen soll und selbst bei sportlicher Fahrweise locker 300 Kilometer hergeben dürfte.
Doch so vertraut sich der Cross Turismo auch nach Porsche anfühlt, so fremd wirkt er zugleich. Denn es fehlt der Sound, der bei einem Sportwagen die halbe Miete ist. «Power of Silence», nennt Weckbach diese ungewöhnliche Sinneserfahrung, die dem Beamen näher ist als dem eigentlichen Fahren und deshalb einen ganz anderen Erlebnishorizont öffnet.
Stille - das ist eine Eigenschaft, die man im Cross Turismo aber nicht nur im wörtlichen, sondern auch im übertragenen Sinne erleben kann. Denn sie war auch das Leitmotiv für die Gestaltung des Interieurs, in dem nichts die Aufmerksamkeit des Fahrers ablenken soll. «Wir haben das Anzeige- und Bedienkonzept auf ein absolutes Minimum reduziert», erläutert Interface-Entwickler Gantimur Meissner. So gibt's ein digitales Cockpit, in dem es ausser direkt am Lenkrad keinen einzigen analogen Schalter mehr gibt. Alles, was im Cross Turismo zu steuern und zu regeln ist, erledigt man über Sensorfelder und Touchscreens und alles, was einem das Auto mitzuteilen hat, erscheint auf den drei Bildschirmen hinter dem Lenkrad, in der Mittelkonsole und vor dem Beifahrer, der erstmals sein eigenes Display bekommt.
Zu sehr «Softie» für den US-amerikanischen Markt
Natürlich ist im Cross Turismo noch vieles Zukunftsmusik, und wie bei jeder Designstudie braucht man ein bisschen Phantasie und Vertrauen, wenn man den Beschreibungen der Entwickler folgt. Doch anders als die meisten Showcars rollt der Porsche nicht nur, sondern fährt tatsächlich. 70, 80, zwischendurch auch mal 100 km/h sind locker drin, wenn die Cops aus dem Begleittross mal ein Auge zu drücken. Und selbst wenn die Software des Bedienkonzepts noch den Demomodus in Dauerschleife abspult, wirkt die Hardware im Cockpit buchstäblich greifbar.
Müsste, könnte, würde - wenn Weckbach über die Zukunft der Studie spricht, nutzt er noch oft den Konjunktiv und berichtet sogar von einem relativ geteilten Echo auf die Studie. Denn während sie in Europa begeistert waren vom Showcar, ist der Wagen den Amerikanern «zu wenig SUV». Doch so richtig zweifeln mag man trotzdem nicht an der Serienfreigabe. Erstens, weil das Auto einfach zu gut aussieht und als Softie-SUV perfekt in die Zeit passt. Zweitens, weil Porsche mehr als ein Modell braucht, wenn die Schwaben tatsächlich bald ein Viertel ihres Absatzes mit Elektroautos bestreiten wollen. Und drittens, weil die Schwaben in den vergangenen 20 Jahren keine Studie gezeigt haben, die danach nicht in Serie gegangen wäre.