Umstrittene Gesetzesvorlage: Spirituosen könnten billiger werden

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Umstrittene GesetzesvorlageSpirituosen könnten billiger werden

Der Nationalrat hat beschlossen, dass Schnapsbrenner und Obstlieferanten von Steuerrabatten profitieren können. Der Ständerat muss noch zustimmen.

Aufatmen bei den Schnapsproduzenten: Sie erhalten zukünftig Steuervergünstigungen.(Archiv)

Aufatmen bei den Schnapsproduzenten: Sie erhalten zukünftig Steuervergünstigungen.(Archiv)

Die Massnahmen zur Entlastung der inländischen Spirituosenhersteller und deren Rohstofflieferanten diskutieren die Räte seit bereits mehr als zwei Jahren. Zunächst hatten sich beide Kammern auf ein System mit Ausbeutebesteuerung geeinigt, bevor es der Ständerat verwarf mit der Begründung, es sei nicht verfassungskonform.

Mit knappstem Mehr hatte die Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK) nun ein neues Modell für eine Steuerermässigung ins Spiel gebracht. Die Steuern sollen für Brenner mit einer Jahresproduktion von bis zu 1000 Liter reinem Alkohol und für Obstlieferanten, die dieselbe Menge brennen lassen, um 30 Prozent reduziert werden. Alkoholmengen von Produzenten, die rechtlich oder wirtschaftlich in Verbindung stehen, sollen nicht zusammengezählt werden. Das hat zur Folge, dass auch mittlere und grössere Betriebe ermässigt besteuert werden können. Profitieren könnten insbesondere Genossenschaften.

«Dramatisch schlechter geworden»

SVP, CVP und ein Teil der FDP unterstützten das Ansinnen. Es gebe Kantone, in denen Destillierfrüchte wirtschaftlich wichtig seien, sagte Jean-François Rime (SVP/FR). Bauernverbandspräsident Markus Ritter (CVP/SG) lobte die Steuerermässigung als Modell, um den Absatz von Früchten und Beeren zu fördern.

«Die Lage der Branche ist im internationalen Vergleich dramatisch schlechter geworden», stellte Ritter fest. Bis in die achtziger Jahre habe der Inlandmarktanteil bei über 80 Prozent gelegen, heute stehe er bei noch 16 Prozent. Folgen seien verlorene Arbeitsplätze, aber auch Verluste bei der Biodiversität und ein verändertes Landschaftsbild. «Hier soll das Konzept Gegensteuer geben.»

Ein «Flickwerk»

Vertreter der Minderheit erinnerten an die lange Leidensgeschichte der Vorlage. Am längsten diskutiert werde nicht über Prävention, den ursprünglichen Hauptzweck des Gesetzes, beklagte sich SP-Nationalrätin Ada Marra (VD). Viel mehr drehe sich die Debatte um Steuerbefreiungen. Mit dem Modell der Mehrheit leide die Prävention, weil für diese weniger Geld zur Verfügung stehe. Den Grünen fehlte die ökologische Komponente im neuen Modell. Mit ihm könnten Hochstamm-Obstbäume nicht gefördert werden wie mit der vom Ständerat vorgeschlagenen und nun fallen gelassenen Ausbeutebesteuerung, stellte der Luzerner Louis Schelbert von den Grünen fest.

Auch Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf kritisierte den derzeit vorliegenden Gesetzesentwurf vergebens als «Flickwerk». Der administrative Aufwand bei der Besteuerung werde mit dem Alternativmodell der WAK-Mehrheit nicht wie ursprünglich beabsichtigt kleiner, sondern grösser. Sie empfahl dem Rat, zum ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates zurückzukehren. Suchtpräventionen bekämpften die Gesetzesvorlage und argumentierten im Vorfeld der Abstimmung, dass Spirituosen bedeutend billiger werden könnten.

Der neuen Steuerermässigung beschloss der Nationalrat mit 102 gegen 84 Stimmen. Auf Antrag der WAK-Mehrheit nahm er zugleich eine Fehlmengenregelung sowie Förderbeiträge für die Branche im Inland in die Vorlage auf. Suchtpräventionen befürchten

Umstrittenes Verkaufsverbot in der Nacht

Nicht einig sind sich die Kammern auch beim Steuersatz für die Spirituosensteuer. Der Nationalrat beharrte auf 32 Franken pro Liter reinen Alkohols. Den von Ständerat und Bundesrat gewünschten Satz von 29 Franken lehnte er mit 101 gegen 77 Stimmen ab. Auch vom Antrag der Grünen für 35 Franken wollte er nichts wissen.

Umstritten bleibt das von Ständerat und Bundesrat verlangte Verbot für Läden, zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens Alkohol zu verkaufen. Der Nationalrat sprach sich mit 123 gegen 52 Stimmen und bei 11 Enthaltungen erneut gegen das Verbot aus. Eine rot-grüne Minderheit hätte dem Jugendschutz zuliebe die Differenz bereinigen wollen.

Namens der Mehrheit sagte Ritter, Probleme mit dem Missbrauch von Alkohol müssten dort gelöst werden, wo es sie gebe. Kantone hätten die Möglichkeit, den Verkauf von Alkohol zu beschränken. Jacques-André Maire (SP/NE) als Minderheitsvertreter erinnerte an die Bitte des Städteverbandes, ein nationales Verbot einzuführen. Die Vorlage geht nun zurück an den Ständerat. (sda)

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