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Schweizer NatiSportpsychologin: «Jedes Ergebnis ist ein Lehrblätz»

Die Schweiz ist nach der Frankreich-Klatsche gegen Honduras gefordert. Ist die Konzentration auf die Stärken gerichtet, sollte es mit der WM-Achtelfinal-Qualifikation klappen.

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Der Aufschrei am letzten Freitag war gross. Die Schweiz kassierte im zweiten Gruppenspiel gegen Frankreich eine 2:5-Pleite. Cristina Baldasarre, Fachpsychologin für Sportpsychologie FSP, weiss, wie Ottmar Hitzfelds Mannen doch noch die Achtelfinals schaffen.

Wie kann man bei einem WM-Turnier eine Schlappe in so kurzer Zeit verarbeiten?

Cristina Baldasarre: Das geht nur, wenn die Voraussetzungen dazu in der Vergangenheit geschaffen wurden. Wenn also nach den Spielen jeweils Debriefings stattfanden mit dem Ziel, konkrete Massnahmen für das nächste Spiel zu formulieren. Dabei spielt es keine Rolle, wer der Gegner war - es geht um technische, strategische und spielerspezifische Informationen. So gewöhnen sich die Spieler daran, dass jede Spielsituation und jedes Ergebnis ein Lehrblätz in Richtung Grossanlass sind. Der Fokus sollte dabei nicht nur auf dem zu Verbessernden liegen, es sollten auch die Stärken betont werden. Auf genau diese Stärken können sich die Spieler dann beziehen und sich anhand dieser mental wieder aufbauen.

Trainer Ottmar Hitzfeld stellte sich am Tag nach dem Debakel vor die Medien und gab Auskunft. Ist das typisch, dass der Coach die schützende Hand über sein Team hält?

Ja, das ist in Ordnung so. Gegen aussen ist sachliches Feedback angebracht, was teamintern dann wirklich diskutiert wird, gehört nicht an die Öffentlichkeit, das würde jede positive Teamdynamik gefährden.

Wie muss der Trainer gegenüber den Spielern auftreten, wenn der Druck riesig ist?

Wenn der Trainer an den Druck denkt, dann ist die Konzentration nach aussen gerichtet. Viel zielführender ist es, die Konzentration nach innen zu richten, sich mit den einzelnen Schritten zu beschäftigen. Der Fokus liegt dann auf den einzelnen Handlungen, und das erfolgreiche Spiel ist die logische Konsequenz daraus. Die Sportpsychologie nennt das Prozessorientierung.

Was bedeutet das konkret?

Jeder im Team verfolgt den abgemachten Plan und konzentriert sich jederzeit auf seine eigene Rolle sowie die Aufgaben auf dem Platz. Wenn jeder im Team dies macht, fügen sich die einzelnen Teile besser zusammen - die Aktionen und Absprachen funktionieren auf einmal.

Ist der Druck vor einem kapitalen Spiel beim Coach oder bei den Spielern grösser?

Viel oder wenig Druck zu verspüren ist etwas sehr Individuelles. Dabei steht im Zentrum, wie genau der Spieler weiss, wo die persönlichen Stärken liegen und wie er diese einsetzen kann. Aber natürlich hilft auch ein motivierender und unterstützender Führungsstil des Trainers. All diese Punkte wirken als Ressourcen und können Druck reduzieren.

Sind Floskeln wie zum Beispiel «Wir müssen jetzt als Team auftreten» selbstschützende Aussagen, um abzulenken?

Es kommt darauf an, wie gut das Team tatsächlich funktioniert. Es ist aber keine Floskel, sondern das richtige Rezept: Einzelaktionen sind zwar heroisch und spektakulär; aber auch jeder Ausnahmespieler hat ein gut funktionierendes Team im Rücken.

Wie wichtig ist denn der Mannschaftsgeist auf dem Weg zum Erfolg?

Gelingt es der Schweiz, ein tolles Teamgefühl aufzubauen, funktioniert das wie ein Katalysator, und die zusätzlichen Energien können tatsächlich freigesetzt werden. Teambildende Massnahmen sind mindestens genauso wichtig wie das eigentliche technisch-taktische Fussballtraining. Vor allem können zum jetzigen Zeitpunkt auf technischer Ebene keine Fortschritte mehr erzielt werden, auf Team- und Motivationsebene hingegen kann in kürzester Zeit sehr viel bewegt werden.

So schaffts die Nati in die Achtelfinals:

Die Schweiz ist weiter ...

... wenn sie Honduras mit 6 Toren Unterschied bezwingt.

... wenn ihr Sieg gegen Honduras um 2 Tore Differenz höher ausfällt als jener von Ecuador gegen Frankreich.

... mit einem Sieg gegen Honduras, wenn Ecuador gegen Frankreich nicht gewinnt.

... mit einem Remis gegen Honduras, wenn Ecuador gegen Frankreich verliert.

... mit einer Niederlage gegen Honduras, wenn sie höchstens mit einem Tor Unterschied ausfällt und Ecuador gegen Frankreich reich mit mindestens 4 Toren Unterschied verliert.

... mit einer Niederlage gegen Honduras, wenn sie höchstens mit einem Tor Unterschied ausfällt und Ecuador gegen Frankreich mit mindestens 3 Toren Unterschied verliert, aber höchstens einen Treffer erzielt.

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