Fall PistoriusStaatsanwaltschaft findet Strafe zu mild
Ex-Sprintstar Oscar Pistorius muss wegen Mordes für sechs Jahre ins Gefängnis. Zu wenig lang, findet die südafrikanische Staatsanwaltschaft.
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Das Drama um Oscar Pistorius geht weiter: Die Staatsanwaltschaft in Südafrika will Berufung einlegen gegen das Urteil über sechs Jahre Haft. Die Strafe für den Ex-Sportler, der seine Freundin tötete, sei «schockierend mild».
Es sei eine «Ungerechtigkeit» und könnte die «Justizverwaltung in Misskredit» bringen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Nach südafrikanischem Recht stehen auf Mord mindestens 15 Jahre Haft.
Vor rund zwei Wochen war Richterin Thokozile Masipa mit dem von ihr ausgesprochenen Strafmass erheblich von der gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe abgewichen. Die Richterin hatte dabei mildernde Umstände berücksichtigt. Beobachter zeigten sich überrascht vom Urteil.
Richterin unter Druck der Öffentlichkeit
Es sei unwahrscheinlich, dass Richterin Masipa einem Berufungsantrag stattgeben werde, sagte Strafanwalt Keith Gess in Kapstadt, der den Fall verfolgt hatte. Die Faktenlage habe sich seit dem Urteil nicht geändert. Sollte Masipa dem Druck der öffentlichen Kritik jedoch nachgeben, muss das oberste Berufungsgericht über ein neues Strafmass entscheiden.
Der 29-jährige Pistorius hatte am Valentinstag 2013 das aufstrebende Model Reeva Steenkamp durch eine geschlossene Toilettentür erschossen. Er sagte aus, er habe Einbrecher vermutet und deswegen geschossen. Er war in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.
Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein und erzielte Ende 2015 in zweiter Instanz eine Verurteilung wegen «Mordes», was im Schweizer Rechtssystem dem Totschlag entspricht. Am 6. Juli wurde Pistorius zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er selbst verzichtete auf eine Berufung.
Richterin: «Gefallener Held»
Der unter seinen Knien amputierte Paralympics-Star galt vor der Tat in seiner Heimat als eine Art Volksheld. Masipa hatte bei der Urteilsverkündung in einem Gericht in Pretoria von mildernden Umständen gesprochen.
«Er ist ein gefallener Held, er hat seine Karriere verloren, er ist finanziell ruiniert», hatte die Richterin ihre Entscheidung erklärt. Ausserdem sei Pistorius ein Ersttäter. Es sei unwahrscheinlich, dass er erneut gegen das Gesetz verstossen werde.
Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft vertrat die Richterin ausdrücklich die Auffassung, dass eine lange Freiheitsstrafe nicht der Gerechtigkeit diene. Mit ihrem Schritt will die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben nun auch klären, wie weit ein Richter bei der Entscheidung des Strafmasses von der vorgeschriebenen Mindeststrafe abrücken darf. (kat/sda/afp)