Schutz vor Ausbeutung«Staatsbordelle fördern nur die Prostitution»
Linke Politiker und Milieu-Experten fordern städtische Bordelle. Bürgerliche Politiker lehnen die Idee ab: Das sei keine Staatsaufgabe.
- von
- B. Zanni
SP-Gemeinderätin Christine Seidler fordert in Zürich ein städtisches Bordell. Laut der «Schweiz am Sonntag» will sie die Stadt verpflichten, eine entsprechende Liegenschaft zur Verfügung zu stellen.
Da Sexarbeiterinnen zunehmend aus den Stadtzürcher Quartieren verdrängt würden, steige das Risiko, dass sie sich in die Abhängigkeit von Zuhältern begeben müssten.
Linke für Staatsbordelle
Nun nehmen Bundesparlamentarier den Ball auf: SP-Nationalrätin Yvonne Feri will einen Vorstoss für Staatsbordelle genau prüfen. Sie unterstütze tendenziell eine staatliche Lösung für Bordelle in der ganzen Schweiz. Feri: «Es ist wichtig, dass die Sexarbeiterinnen ihre Dienste in geschütztem Rahmen anbieten können.» Es bestehe weniger die Gefahr, dass sie Opfer ausbeuterischer Arbeitsbedingungen und Gewalt würden, sagt Feri. Auch hätten sie besseren Zugang zu Medizin und Beratung.
Auch der grüne Nationalrat Balthasar Glättli hält Staatsbordelle für prüfenswert. «Je mehr man das Gewerbe in die Illegalität drückt, desto schwieriger wird es, den Sexarbeiterinnen anständige Bedingungen zu bieten.» Ebenso wichtig wäre darum, dass Prostitution nicht länger als sittenwidrig gelte. Laut Glättli verhindert der staatliche Eingriff, dass die Frauen abgezockt werden.
«Hohe Mieten für ein kleines, wüstes Zimmer»
Auch Cornelia Zürrer Ritter, Leiterin der Rotlicht-Beratungsstelle Rahab der Heilsarmee Zürich, betont: «Die Vermieter machen das grosse Geschäft.» Für ein kleines, wüstes Zimmer verlangten die Vermieter etwa im Zürcher Kreis Vier pro Tag 150 Franken. «Diese Zustände treiben viele Prostituierte in die Illegalität.»
Die Gefahr sei noch grösser, dass die Prostituierten in die Hände von Menschenhändlern und in die Abhängigkeit von Zuhältern gerieten. Ihr Fazit: «Staatliche Bordelle lösen zwar nicht alle Probleme, wären aber sicher einen Versuch wert», so Zürrer Ritter.
«Bordelle sind keine staatliche Aufgabe»
Bei bürgerlichen Politikern haben Staatsbordelle dagegen keine Chance. «Es ist keine staatliche Aufgabe, einem privaten Gewerbe – ob horizontal oder nicht – Immobilien zur Verfügung zu stellen», sagt FDP-Ständerat Andrea Caroni. Noch weniger sei es am Staat, solche Gewerbe zu betreiben. «Der Staat betreibt auch keine Bäckereien, um die Lebensmittelsicherheit zu garantieren oder weil Backstuben rar sind.» Zudem ergebe sich der Schutz Prostituierter bereits aus zahlreichen Gesetzen. «Und an der Raumknappheit ist der Staat durch Überreglementierung mitschuldig.»
Auch SVP-Nationalrat Sebastian Frehner ist dagegen. «Ob jemand ins Bordell gehen will oder nicht, ist eine private Angelegenheit und sicher nicht diejenige des Steuerzahlers.» Er geht davon aus, dass der Staat Mindestpreise festlegen würde. «Kostet eine Dienstleistung plötzlich 300 anstatt 40 Franken, meiden viele Freier das Staatsbordell und suchen sich eine Alternative.» Zudem kritisiert er: «Staatsbordelle würden nur die Prostitution fördern.»
Welche Vorteile haben Steuerzahler, die mit Bordellen nichts anfangen können? «Es würden keine Sexarbeiterinnen mehr in Quartieren auf Kundenfang gehen und Anwohner stören», sagt Zürrer Ritter. Laut der Beraterin sollen die Etablissements aber trotzdem nicht an die «äussersten Enden der Agglomeration» verbannt werden. «Sonst würde es für die Frauen erneut schwierig, ihrem Geschäft nachzugehen.»