Ständig ein leises Ticken in der Leitung
«Ich kann jetzt nicht sprechen. Ich glaube, ich bin in Gefahr», flüstert ein Journalist ins Telefon. Die Anschlüsse von Reportern in Burma werden abgehört, die staatliche Zensur läuft auf Hochtouren und ausländische Journalisten können nur unter grosser Gefahr aus dem südostasiatischen Land berichten.
Die herrschende Militärjunta will die verheerende Katastrophe möglichst verschweigen, nach UN-Angaben könnten bis zu 100 000 Menschen ums Leben gekommen sein.
«Diese Regierung ist paranoid, sehr ausländerfeindlich und sie denken, dass der Zyklon 'Nargis' ihre Glaubwürdigkeit untergraben könnte», sagte der Journalist Aung Zaw von «Irrawaddy», einem im thailändischen Exil produzierten Magazin. Die Junta wolle das wahre Ausmass verheimlichen. «Sie wollen verhindern, dass die Birmaner den Ausländern die Wahrheit sagen», sagte Zaw. Die staatlichen Medien hüllen sich in Schweigen und zeigen nur Bilder von Generälen, die Hilfsmittel ausgeben.
Berichte aus Katastrophengebieten bergen für Reporter immer hohe Risiken: Das Trinkwasser ist verunreinigt, der Zugang schwierig, der Ausbruch von Krankheiten und Seuchen droht. Doch in Burma ist die Situation noch gefährlicher. Birmanischen Journalisten drohen drastische Strafen, die ausländischen Reporter können nur verdeckt arbeiten.
Zahlreiche Berichterstatter bemühten sich in diesen Tagen bei der Botschaft in Bangkok erfolglos um ein Visum. Sie standen auf einer schwarzen Liste des Regimes, da sie im vergangenen Herbst mit einem Touristenvisum eingereist waren, um über die blutige Niederschlagung der von Mönchen angeführten Protestbewegung zu berichten. Reporter ohne Grenzen appellierte an die Junta, Journalisten ins Land zu lassen, denn die Berichterstattung sei auch ein Schlüssel, um weltweit Hilfe für die Opfer zu mobilisieren.
Strenge Zensur bedroht birmanische Journalisten
Die birmanischen Journalisten haben indes keine Möglichkeit, über das Geschehen im am schlimmsten betroffenen Irrawaddy-Delta zu berichten. Im Telefongespräch eines Reporters mit einem Kollegen in Bangkok war ständig ein leises Ticken in der Leitung zu hören - wahrscheinlich wurde der Anschluss abgehört. Der Reporter, dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden kann, war am gleichen Tag von der Regierung wegen eines als zu kritisch empfundenen Berichts ermahnt worden. Er habe Angst, festgenommen zu werden, sagte der Journalist, bevor er abrupt auflegte.
Das Magazin «Irrawaddy» hat fünf Berichterstatter, die im Katastrophengebiet leben. Drei von ihnen seien durch die Katastrophe obdachlos geworden, sagte Zaw. Ihre heimlich gesendeten Berichte würden von den US-finanzierten Sendern Radio Free Asia und Voice of America in ganz Burma gesendet. «Sie arbeiten alle undercover. Sie gehen ein hohes Risiko ein.»
Auf der Rangliste der Staaten, die sich an der Pressefreiheit vergehen, belegte Burma im vergangenen Jahr den sechstschlechtesten Platz - nur in Eritrea, Nordkorea, Turkmenistan, im Iran und in Kuba war die Meinungsfreiheit Reporter ohne Grenzen zufolge noch stärker eingeschränkt.
Ausländer müssen versteckt arbeiten
Einige ausländische Reporter haben es seit dem Durchzug des Zyklons am 3. Mai ins Land geschafft, doch damit beginnt die Herausforderung erst. Die Polizei und der Geheimdienst halten permanent nach Ausländern Ausschau, zahlreiche bei Journalisten beliebte Hotels wurden durchsucht. Berichterstatter müssen nunmehr ständig den Aufenthaltsort wechseln, ein Vordringen ins Irrawady-Delta ist wegen der Strassensperren kaum möglich.
CNN-Reporter Dan Rivers hatte sich auf der Ladefläche eines Pickups unter einer Decke versteckt und war so ins Krisengebiet gelangt. Nach fünf Tagen warnten ihn lokale Kontaktpersonen, dass bereits gezielt nach ihm gesucht werde, also kehrte er nach Thailand zurück. «Ich hatte meine neun Leben aufgebraucht und es war Zeit für mich, ausser Landes zu kommen», sagte Rivers. Der Reporter Stefan Klein der «Süddeutschen Zeitung» konnte nach eigenen Angaben zwei Polizeisperren passieren, an der dritten wurde er abgewiesen und konnte damit nicht weiter vordringen.
Ausmass der Katastrophe soll offenbar vertuscht werden
Die Vereinten Nationen (UN) gehen davon aus, dass die Zahl der Todesopfer im Irrawaddy-Delta vermutlich zwischen 62 000 und 100 000 liege. Hilfsorganisationen erklären, dass bis zu zwei Millionen Überlebende akut von Hunger und Krankheiten bedroht seien. Das unter der Herrschaft der Generäle völlig verarmte Burma kann mit der Katastrophe nicht alleine fertigwerden.
Nach einer tagelangen Totalverweigerung der Generäle sind erste Flüge mit Hilfslieferungen aus dem Ausland angekommen, die Verteilung der Hilfsgüter soll jedoch von der Regierung selbst übernommen werden. Ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die das dringend benötigte Wissen für einen solchen Einsatz mitbringen, müssen in Rangun verharren. Die Grundbedürfnisse würden erfüllt und «fachkundige Helfer» seien «nicht erforderlich», sagte der birmanische Marine-Befehlshaber, Konteradmiral Soe Thein im staatlichen Fernsehen. Die Generäle wollen offenbar um jeden Preis verhindern, dass das ganze Ausmass der Katastrophe bekannt wird. (dapd)