Kilian WengerStartet der Schwingerkönig durch?
Der neue König ist ein Glücksfall: Er ist der bestaussehendste König der Neuzeit und dürfte bald einer der begehrtesten Junggesellen sein.
- von
- Zaugg Klaus ,
- Frauenfeld
Ausgerechnet König Jörg Aberhalden hat er gestürzt. Mit einem Hüfter am Sonntagmorgen im fünften Gang. Vor neun Jahren hatte Kilian Wenger vor dem Fernseher noch geweint, weil Abderhalden nach dem Gestellten im Schlussgang in Nyon seine Krone vorübergehend an Noldi Forrer abgeben musste. «Ja, diese Geschichte stimmt. Ich war ein Fan von Jörg Abderhalden und weinte, als er den Titel verlor.» Zum ersten Mal begegnete Wenger seinem Idol 2007 auf der Schwägalp und ein Jahr später plauderten sie beim Kilchbergschwinget erstmals miteinander. Jetzt gehörte Abderhalden zu seinen ersten Gratulanten. «Er hat mir auf dem Weg zur Garderobe gratuliert und mir die besten Wünsche mit auf den Weg gegeben.» Abderhalden hat den zweiten Platz erreicht und er geht für viele als der Grösste aller Zeiten in die Geschichte ein: König 1998, 2004 und 2007, im Schlussgang 2001 und auf Platz 2 2010.
Wer ist der neue König Kilian Wenger? Er verkörpert den Wandel des Schwingens in mehrerer Hinsicht. Er ist mit ziemlicher Sicherheit der bestaussehendste Schwingerkönig der Neuzeit und sagt, er fühle sich so wie er sei sehr wohl (190 cm, 102 kg). Er wirkt ruhig und gelassen (oder eben cool), sanft in der Art, stark in der Tat. Im Wesen und Wirken mahnt er an Adrian Käser, der 1989 mit 18 Jahren in Stans völlig überraschend jüngster Schwingerkönig der Geschichte wurde. Der bisweilen knorrige Ehrgeiz und die Eigenwilligkeit eines Jörg Abderhalden scheinen ihm fremd.
Auf den ersten Blick ein Traditionalist
Auf den ersten Blick ist Kilian Wenger ein Traditionalist. Er hat bereits eine Lehre als Metzger hinter sich und steht zurzeit in der zweiten Ausbildung als Zimmermann. Als Motorfahrer leistet er Militärdienst. Seine elfjährigen Zwillingsbrüder Ruedi und Marcel sind erfolgreiche Jungschwinger und stehen fast jedes Wochenende irgendwo im Schlussgang. Auch seine Herkunft aus Horboden, einem Weiler in der Gemeinde Diemtigen im Berner Oberland, weist ihn als Traditionalisten aus. Doch die familiäre Situation - seine Eltern leben nicht mehr zusammen - entspricht durchaus dem modernen, urbanen Leben.
Mit der Thronbesteigung von Frauenfeld betritt er nun das Scheinwerferlicht einer grossen Öffentlichkeit. Er galt zwar als gefährlicher Aussenseiter, war aber nur den Kennern ein Begriff und so wird er bei der improvisierten Medienkonferenz nach dem Fest vom Reporter des Schweizer Radios gefragt: «Können Sie sich kurz vorstellen?» Und der König, von dieser Frage etwas überrascht, sagt höflich: «Ich bin jetzt eben der Kilian Wenger vom Horboden.» Um dann anschliessend die wichtigsten Koordinaten aus seinem Leben zu verraten.
König noch ohne Freundin
Den Medienrummel meistert er so gelassen wie die Kurzangriffe im Sägemehl. Ja, ja, es stimme, dass er keine Freundin habe. Eine junge Reporterin fragt ihn, wie er jetzt mit dem Interesse der Frauen umgehen werde. Sie wisse von Mädels, die diese Saison nur wegen ihm zu Schwingfesten angereist seien. Wenger, wohl bald einer der begehrtesten Junggesellen im Land, sagt cool: «Ich werde sachlich und freundlich sein. So wie ich eben bin.»
Sein Ziel sei es gewesen, in Frauenfeld den Kranz zu holen. Nach dem Sieg über Jörg Abderhalden im fünften Gang habe er dann erstmals daran gedacht, dass alles möglich sei. Dieser Sieg machte aus dem Aussenseiter einen König und der sonst so Coole sagt: «Dieser Sieg hat bei mir Emotionen ausgelöst.» Dramatischer gesagt: Dieser Sieg liess alle Dämme brechen und machte den Weg zum Thron frei. Wenger ist der erste König seit Ernst Schläpfer (1980), der alle acht Gänge gewonnen hat. In der ganzen Geschichte des Eidgenössischen (seit 1895) ist dies bisher nur Ernst Schläpfer, Hans Roth, Werner Bürki, Max Widmer und Rudolf Hunsperger gelungen.
Federers Vermarkter hat Interesse
Heute sind Schwinger Werbeträger. Von Jörg Abderhalden wird gesagt, er habe ein Werbe-Karrierepotenzial von einer Million. Der amerikanische Werbegigant IMG, der auch Weltstars wie Roger Federer oder Fabio Cancellara vermarktet, hat bereits Jörg Abderhalden und Christian Stucki unter Vertrag. IMG-General Rolf Huser hat Wenger schon lange auf seiner Wunschliste. «Aber bisher habe er noch keinen Kontakt mit Wenger gehabt. Wir sind sehr stark daran interessiert, mit ihm zusammenzuarbeiten.» Auch wenn die Schwinger das Thema meiden wie der Teufel das geweihte Wasser: Eher früher als später wird sich die Frage stellen, ob aus Kilian Wenger ein Werbemillionär wird.
Der neue König lässt sich auch bei diesem Thema nicht aus der Ruhe bringen: «Ich bin dafür, dass wir die Tradition pflegen. Aber ich bin auch dafür, dass beim grossen Trainingsaufwand, den wir betreiben, etwas dabei herausschaut.»