Richtungsstreit bei GenossenSteht die SP zu weit links?
Daniel Jositsch übt Kritik am einseitigen Linkskurs seiner eigenen Partei. Beim gewerkschaftlichen Flügel beisst er damit auf Granit.
- von
- D. Waldmeier

Hat gut lachen: Der frischgewählte SP-Ständerat punktet auch bei den Bürgerlichen er ist Panaschierkönig. Er weiss, wie seine Partei wachsen könnte.
Nach den Wahlen bricht der Richtungsstreit in der SP offen aus: In einem Interview mit der «SonntagsZeitung» analysiert der Daniel Jositsch die Situation der Sozialdemokraten nach den Nationalratswahlen. Der frischgewählte Zürcher Ständerat kommt zum Schluss, dass die SP «ihr Potenzial gegen die Mitte hin» nicht ausschöpfe und mit ihren 18,8 Prozent Wähleranteil weit von den avisierten 30 Prozent entfernt sei.
«Links von uns ist das Wählerreservoir verschwindend klein. Wir müssen rechts wachsen, so wie es Simonetta Sommaruga und Rudolf Strahm es einmal mit ihrem Gurten-Manifest versucht haben.»
Die Diskussion um das sogenannte Gurten-Manifest stellte die SP 2001 vor eine Zerreissprobe: Mit dem Zehn-Punkte-Programm sollten linksliberale Wähler mobilisiert werden sollten. Das Manifest – ein Plädoyer gegen blinde Staatsgläubigkeit – wurde begraben. Dafür steht seit 2010 die Abschaffung des Kapitalismus im Parteiprogramm der Sozialdemokraten.
«Partei schränkt sich zu stark ein»
Laut Jositsch sollte die SP vermehrt wieder Kandidaten aufstellen, denen die «Gerüche von Armeeabschaffung und Kapitalismusüberwindung» nicht anhängen. Als Beispiele nennt er sich selbst oder die Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer, die beide bis weit ins bürgerliche Lager hinein Stimmen holen. «Die SP ist zu einseitig links positioniert. Man muss diese linke Haltung nicht aufgeben. Aber unsere Partei schränkt sich zu sehr ein», sagt Jositsch.
SP-Nationalrat Corrado Pardini, ein Vertreter des linken Flügels, sieht seinen Parteikollegen auf dem Holzweg: «Ich gönne Daniel Jositsch die Wahl von Herzen. Aber was in seinem Ständeratswahlkampf funktioniert, ist nicht zwingend gut für die Partei. Das sollte er wissen.» Die SP müsse sich mit einem eigenen Bild der Schweiz und einem klaren Profil von der Mitte abgrenzen und dürfe es auf keinen Fall verwässern. «Wer dies tut, verliert.»
Der Gewerkschafter verlangt, dass die Partei den Diskussionen nicht ausweicht. «Wir sollten insbesondere eine Wirtschaftspolitik entwickeln, die gegen die drohende Deindustrialisierung wirkt und auch in der Flüchtlingsdebatte oder der Europa-Frage Position beziehen.» Der Angst, die von der SVP geschürt werde, sei mit echten sozialdemokratischen Rezepten zu begegnen.
«Es hat Platz für den rechten Flügel»
In der Parteizentrale heisst es, dass die SP «schon immer eine breite Volkspartei» gewesen sei, in der es für verschiedene Strömungen Platz habe. «Es mag sein, dass Daniel Jositsch in letzter Zeit der einzige hörbare Vertreter dieses Flügels war», sagt SP-Sprecher Michael Sorg. Dass die SP als Partei pointierte Positionen einnehme, sei jedoch normal.
Die Stagnation führt Sorg denn auch nicht auf die Ausrichtung der Partei zurück, sondern auf die politische Grosswetterlage. Die Migrationsdebatte habe der SP bei den Wahlen nicht in die Karten gespielt. Es gebe keine Pläne, das Gurten-Manifest wieder aus der Schublade zu ziehen.