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Liebeslust statt nur Liebe«Stöhnend sank Penny noch tiefer ...»

Nur heile Welt – das war einmal: In vielen Kioskromanen ist inzwischen Sex ein zentrales Thema. In den Heftchen geht es bisweilen ganz schön zur Sache – Teil 4 unserer Sommerserie.

von
Senta Keller

Die Titelblätter der Kioskromane versprechen vor allem eins: das grosse Glück. Da strahlen propere Ärzte mit der hübschen Krankenschwester um die Wette. Eine heisse Blondine liegt in den beschützenden Armen eines charmanten Geschäftsmannes. Und ein sportliches Paar scheint bei der Erkundung der Wälder grossen Spass zu haben. Die Welt ist schön. Und die Welt ist gut. Doch seit einigen Jahren locken Kioskromane nicht mehr nur mit der heilen Welt der Liebenden, sondern häufiger auch mit Sex.

Bis in die 1970er-Jahre war dies tabu. Inzwischen wissen Verleger, was Frauen anturnt. Nicht purer Sex, sondern Sex mit einer Liebesgeschichte drum herum. Während in Arzt- und Heimatromanen Sex oft nur angedeutet wird, ist bei den Romanen des Cora-Verlags die Lust das zentrale Thema. Die Szenen sind blumig beschrieben und die Vergleiche - nennen wir sie mal kreativ… So denkt sich zum Beispiel Penny beim Anblick von Carter im Roman «Auf High Heels ins Glück» aus der Julia-Reihe (2012): «Jede Frau schaute ihn an, als wäre er der verführerischste Sahnetopf seit Langem, und sie alle wollten daraus kosten.» Und auch Carter kommt Essen in den Sinn, wenn er seine Penny sieht: «Ihr Mund schimmerte so verführerisch, prall und rot wie eine Kirsche – und er wollte sie kosten.»

Die Erotik ist beliebt

Gerne werden die Autoren auch expliziter. Bei der finalen Sex-Szene zwischen Penny und Carter wird der Leserin kein Detail vorenthalten: «Stöhnend sank Penny noch tiefer in den Kuss, schmiegte ihren Körper an seinen, sodass er noch ein ganz klein wenig mehr in sie eindringen konnte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihn zu absorbieren, ihn völlig in sich aufzunehmen, während er wild in sie stiess. Es war, als wäre ein Damm in ihr gebrochen – ein stetiger Fluss aus heisser Lava und brennender Glückseligkeit.»

Die Erotik sei von vielen gewollt, erklärt Christian Durbahn, Produktmanager des Cora-Verlags: «Wir haben aber unterschiedliche Romanreihen, bei denen die Sexszenen expliziter oder weniger explizit sind. Durch die Reihen machen wir das deutlich und so kann jeder selbst entscheiden, wie viel er lesen möchte.» Dieses Konzept kommt auch bei jüngeren Leserinnen an. Während Arzt- und Heimatromane mehrheitlich bei Frauen zwischen 40 und 60 Jahren für Begeisterung sorgen, sind bei den Romantik-Romanen von Cora immerhin ein Drittel aller Leserinnen unter 30 Jahre.

Der starke Mann bleibt der Traum moderner Frauen

Auch wenn die Romanheldinnen inzwischen häufig Managerinnen, Architektinnen oder Chefärztinnen sind – im Grunde ihres Herzens bleiben sie heillose Romantikerinnen, die erst wirklich glücklich sind, wenn sie den Traummann gefunden haben und in seine starken Arme gesunken sind. Dass diese Geschichten nicht dem Bild einer emanzipierten Frau entsprechen, die sich nicht nur von Gefühlen leiten lässt und vielleicht nicht im Familienleben das grösste Glück sieht, stört bei den Verlagen niemanden. «Es ist ja nicht nur so, dass die Frau den Traummann sucht. Auch der Mann sucht seine Traumfrau», sagt Andreas Schäfer vom Kelter-Verlag. Cora-Produktmanager Christian Durbahn erzählt: «Klar sind das klassische Bilder in unseren Romanen. Aber das ist wie bei Hollywood-Filmen. Unsere Leserinnen wollen diese Traumvorstellung und der werden wir gerecht.»

Eine Umfrage, die der Cora-Verlag im Jahr 2010 zusammen mit dem Marktforschungsinstitut ipsos durchgeführt hat, zeigte deutlich: Emanzipation hin oder her – Frauen stehen auf die klassischen Werte. «Treue, Humor und Verlässlichkeit zählen zu den Wunscheigenschaften des Partners», erklärt Durbahn. Eine Mehrheit will weiterhin nicht, dass der Mann den Haushalt macht und sie sich ums Geld kümmern müssen. «Moderne Helden, wie man sie aus Romanen kennt, sind genau das, wovon Frauen träumen.»

Sommerserie: Kioskroman

Kioskromane gelten als Trivialliteratur: Die Sprache ist einfach, der Plot immer gleich, das Happy End garantiert. Trotzdem sind Groschenromane seit vielen Jahren erfolgreich. In einer Sommerserie untersuchen wir dieser Form der Literatur, finden ihren Ursprung, treffen ihre Autoren und lernen ihre Regeln. Es folgt ein mehrteiliger Romantikroman, bei dem Sie entscheiden, wie die Geschichte weitergeht. Entschieden haben Sie bereits, wo sich die Protagonisten zum ersten Mal treffen sollen: Mit 46 Prozent hat es die Blockhütte am See geschafft, vor der der Held Holz hackt. Stimmen Sie jetzt darüber ab, wo der Roman spielen soll.

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