Ständerats-Entscheid: Strafe soll von Polizei statt vom Richter kommen

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Ständerats-EntscheidStrafe soll von Polizei statt vom Richter kommen

Kleinere Straftaten sollen nur noch mit Bussen bestraft werden. Laut Strafrechtsexperte Peter Albrecht hat das Vor- und Nachteile.

Ph.Flück
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Ph.Flück
Wer beispielsweise ein Rauchverbot missachtet, soll künftig direkt von der Polizei gebüsst werden.

Wer beispielsweise ein Rauchverbot missachtet, soll künftig direkt von der Polizei gebüsst werden.

Keystone/Ennio Leanza

Herr Albrecht*, wer seinen Hund im Wald nicht an der Leine führt oder ein Rauchverbot missachtet, soll nach dem Willen des Ständerates künftig nur mit einer Ordnungsbusse bestraft werden (siehe Box). Was heisst das konkret?

Das heisst, dass die Busse direkt vor Ort von einem Polizisten ausgestellt wird. Somit entfällt das Strafverfahren. Ein klassisches Beispiel ist der Strassenverkehr, wo Gesetzesübertretungen schon heute ohne Strafverfahren bestraft werden. Ähnlich könnte das in Zukunft auch bei Verstössen gegen das Ausländergesetz oder das Waffengesetz funktionieren.

Welche Vorteile bringt dies mit sich?

Der Aufwand für die Behörden ist viel kleiner. Ausserdem ist eine Strafe oft wirksamer, wenn sie möglichst schnell ausgesprochen wird und nicht erst Monate später, wie es bei einem Strafverfahren der Fall ist.

Die maximale Busse soll 300 Franken betragen. Schreckt ein solcher Betrag überhaupt ab?

Die Höhe der Busse ist gar nicht so entscheidend, das haben auch schon verschiedene Untersuchungen gezeigt. Ausserdem gehe ich davon aus, dass es tatsächlich nur Bagatellen sein werden, die der Bundesrat in das neue Ordnungsbussengesetz einbeziehen wird.

Sehen Sie auch Gefahren?

Ja, man muss aufpassen: Da es kein Verfahren gibt, kommt es auch zu keiner Untersuchung und das Risiko einer ungerechten Bestrafung wird höher. Dieses Risiko ist umso grösser, da es nicht eine richterliche Behörde ist, welche die Busse ausspricht, sondern ein Polizist.

Kann man sich gegen eine Ordnungsbusse denn nicht wehren?

Doch, natürlich. Wenn man die Busse ablehnt oder sie einfach nicht bezahlt, wird ein normales Strafverfahren eröffnet. Das geschieht allerdings in wenigen Fällen, da es sich ja bei Ordnungsbussen nicht um grosse Summen handelt und ein Strafverfahren neben den Kosten auch viel Zeitaufwand verursacht.

Der Bundesrat will das Ordnungsbussenverfahren auch auf Bereiche ausweiten wie etwa das Waffengesetz. Muss man also davon ausgehen, dass bald viele Leute mit Waffen herumlaufen, da ohnehin nur eine Ordnungsbusse droht?

Welche genauen Tatbestände nur noch mit Ordnungsbussen bestraft werden, wird der Bundesrat erst in einem zweiten Schritt festlegen. Sicher ist aber, dass es sich beim Tragen einer Waffe ohne Waffenschein nicht um eine Bagatelle handeln wird.

Der Cannabis-Konsum kann seit 2013 im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden. Welche Erfahrungen hat man damit gemacht?

Es ist noch zu früh, um zu sagen, welche Auswirkungen das Gesetz auf den Cannabiskonsum hat. Was man aber schon weiss, ist, dass Ordnungsbussen im Zusammenhang mit Cannabiskonsum häufig zur Anwendung kommen.

Ständerat nimmt Revision an

Der Ständerat hat am Montag eine Revision des Ordnungsbussengesetzes mit 35 zu 0 Stimmen angenommen. Damit sollen künftig verschiedene Straftaten lediglich mit Ordnungsbussen bestraft werden. Die Regierung will das Bussensystem unter anderem bei Verstössen gegen das Ausländergesetz, das Asylgesetz, das Waffengesetz, das Alkoholgesetz, das Umweltschutzgesetz, das Fischereigesetz, das Lebensmittelgesetz und das Jagdgesetz anwenden. Welche Delikte im Ordnungsbussenverfahren erledigt werden sollen, will der Bundesrat später selber in einer Verordnung festlegen. In einer separaten Vorlage möchte der Ständerat regeln, dass dereinst auch Sicherheitsorgane von Transportunternehmen wie die SBB Ordnungsbussen ausstellen können. Er hiess dazu eine Motion seiner RK mit 32 zu 1 Stimmen gut, gegen den Willen des Bundesrates. Das revidierte Ordnungsbussengesetz und auch die Motion der Rechtskommission gehen nun an den Nationalrat. (sda)

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