Aktualisiert

Strangeloves Bombe und Jacks Axt

Fünf Jahre nach dem Tod des Regisseurs Stanley Kubrick bekommt die Öffentlichkeit erstmals Einblick in den umfangreichen Nachlass des Schöpfers von Klassikern wie «2001: A Space Odyssey».

Wegen ihrer Grösse von 1200 Quadratmetern ist die Ausstellung auf zwei benachbarte Frankfurter Museen verteilt, das Deutsche Filmmuseum und das Deutsche Architekturmuseum. Die bis 4. Juli laufende Schau verfolgt nicht nur das Entstehen seiner Filme, sondern dokumentiert auch Kubricks besessene Arbeitswut und seine gescheiterten Projekte.

Strangeloves Bombe

Der chronologisch angelegte Rundgang beginnt im Filmmuseum mit Schwarzweiss-Fotos aus Kubricks Zeit als minderjähriger Pressefotograf und führt ins Parterre und den ersten Stock des benachbarten Architekturmuseums. Zu sehen sind Plakate, vollgekritzelte und mit Skizzen versehene Drehbücher, mannshohe Drehpläne, Briefe und Recherchematerial.

Aber auch Kostüme und Requisiten wie die Bombenattrappe aus «Dr. Strangelove» (1964), Äxte aus dem Horrorfilm «Shining» (1980), ein Helm aus «Full Metal Jacket» (1987) und venezianische Masken aus «Eyes Wide Shut» (1999) sind zu sehen.

Space Odysseys Hamsterrad

Die Ausstellungsarchitektur habe versucht, «wiederkehrende Motive in Kubricks Rauminstallationen zu verdichten», erklärte Kuratorin Bettina Rudhof. Dazu zählen zum Beispiel die Achsensymmetrie, das Labyrinth oder das Motiv des ewigen Kreisens.

So sind die Exponate zu «2001» im ersten Stock des Architekturmuseums in einem begehbaren Rund angeordnet, der dem überdimensionalen Hamsterrad nachempfunden ist, in dem die Raumfahrer joggen gehen. In Vitrinen stehen die Raumanzüge der Zukunftsmenschen und das Affenkostüm aus der Szene «Geburt der Menschheit».

Zwischen Leinwänden mit Filmausschnitten und Fotos von Dreharbeiten steht auch viel Technik. Kubrick liess Spezialkameras bauen, verwendete Objektive, die eigentlich für die NASA gebaut wurden und ersann eigene Projektionstechniken.

Obsession Napoleon

Seine technische Besessenheit machte seine Filme einzigartig - oder liess sie scheitern: 30 Jahre Arbeit investierte der gebürtige New Yorker in einen Film über Napoleon. Der kam nie zu Stande, weil es Ende der 60er Jahre technisch nicht möglich war, ausschliesslich mit natürlichem Licht und bei Kerzenschein zu drehen.

Die Ruinen dieses und anderer gescheiterter Projekte kommen nun erstmals ans Licht der Öffentlichkeit: Tausende historische Stiche, Faksimiles von Briefen, biografische Studien, Protokolle von Recherchen für Drehorte etc. Sie alle hortete Kubrick in den «vielleicht hundert Zimmern» seines Anwesens in England, wie sein Nachlassverwalter Jan Harlan berichtet.

Warner not amused

Neun Monate lang durchforstete Kurator Bernd Eichhorn den schier unüberschaubaren Nachlass aus 50 Jahren Filmschaffen auf Kubricks Anwesen. Dass die erste Ausstellung mit dem Nachlass eines der bedeutendsten amerikanischen Regisseure ausgerechnet in Deutschland stattfinden sollte, habe Kubricks Filmfirma Warner «nicht gerade begeistert», berichtete Harlan.

Die Schau soll zunächst weiter nach Berlin und später auch nach Grossbritannien und in die USA reisen. Im Kino des Filmmuseums sind während der Ausstellung alle Kubrick-Filme im «director's cut» und mit Originalton zu sehen.

(sda)

Deine Meinung