Kontrollierte Abgabe: Süchtige dürfen neu die 7-fache Dosis Methadon abholen

Publiziert

Kontrollierte AbgabeSüchtige dürfen neu die 7-fache Dosis Methadon abholen

Wegen Corona dürfen an Heroinabhängige neu bis zu sieben Tagesdosen medizinischen Heroins auf einmal abgegeben werden. Die Suchtzentren sowie das BAG heissen den Schritt gut.

Michelle Muff
von
Michelle Muff
1 / 7
Am 25. September hat der Bundesrat eine Gesetzesrevision vorgenommen: Bis zum 31. Januar 2021 dürfen kontrollierte Suchtzentren Heroinabhängigen bis zu sieben Tagesdosen aufs Mal mitgeben. 

Am 25. September hat der Bundesrat eine Gesetzesrevision vorgenommen: Bis zum 31. Januar 2021 dürfen kontrollierte Suchtzentren Heroinabhängigen bis zu sieben Tagesdosen aufs Mal mitgeben.

Getty Images/iStockphoto
Laut dem Bund will man mit der neuen Regelung das Corona-Ansteckungsrisiko der Betroffenen minimieren. 

Laut dem Bund will man mit der neuen Regelung das Corona-Ansteckungsrisiko der Betroffenen minimieren.

Getty Images/iStockphoto
Die Patienten müssen verschiedene Bedingungen erfüllen, um für das neue Abgaberegime berücksichtigt zu werden.  Ärzte dürfen Patienten nur mehrere Tagesdosen abgeben, wenn die Missbrauchsgefahr als sehr gering eingeschätzt wird, wenn der Patient gesundheitlich und sozial genügend stabilisiert ist.

Die Patienten müssen verschiedene Bedingungen erfüllen, um für das neue Abgaberegime berücksichtigt zu werden. Ärzte dürfen Patienten nur mehrere Tagesdosen abgeben, wenn die Missbrauchsgefahr als sehr gering eingeschätzt wird, wenn der Patient gesundheitlich und sozial genügend stabilisiert ist.

Getty Images

Darum gehts

  • Bis zum 31. Dezember 2021 dürfen Behandlungszentren Drogenabhängigen die siebenfache Dosis an medizinischem Heroin herausgeben.
  • Damit möchte man das Corona-Ansteckungsrisiko minimieren.
  • Die Abgabe findet unter strengen Auflagen statt.
  • Das BAG sowie Sucht Schweiz befürworten den Schritt.

Vor bald 25 Jahren wurde in der Schweiz die ärztlich kontrollierte Heroinabgabe eingeführt. Wegen des Coronavirus kommt es nun zu Lockerungen bezüglich der geprüften Drogenabgabe: Bis zum 31. Dezember 2021 dürfen Behandlungszentren Süchtigen bis zu sieben Tagesdosen medizinisches Heroin (Diacetylmorphin) mitgegeben werden. Das hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 25. September beschlossen.

Normalerweise müssen Patienten einmal am Tag ein Zentrum aufsuchen, um ihre Dosis an Arzneimitteln zu erhalten. Laut dem Bund möchte man mit der neuen Regelung das Corona-Ansteckungsrisiko für die Betroffenen so tief wie möglich halten. Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist es für die behandelnden Ärzte sehr wichtig, dass sie im Bedarfsfall ohne Verzug auf diese Möglichkeit zurückgreifen können.

Die Betroffenen müssen in stabilem Zustand sein

Patienten müssten jedoch verschiedene Bedingungen erfüllen, um für das neue Abgaberegime berücksichtigt zu werden. Ärzte dürfen Patienten nur mehrere Tagesdosen abgeben, wenn die Missbrauchsgefahr als sehr gering eingeschätzt wird, wenn der Patient gesundheitlich und sozial genügend stabilisiert ist, sich seit mehr als sechs Monaten in Behandlung befindet und wenn die letzten beiden Urinproben ausser dem medizinischen Heroin keine anderen Betäubungsmittel aufwiesen.

Unter diesen Umständen bestehe grundsätzlich das Risiko, dass sich Patienten das medizinische Heroin in zu hohen Dosen oder zu häufig verabreichen oder es weitergeben, sagt Sprecher Yann Hulmann. «Um diese Risiken möglichst gering zu halten, waren die Behandlungszentren angehalten, dafür zu sorgen, dass es so weit als möglich unter Sichtkontrolle – per Video oder mittels Hausbesuchen – eingenommen wurde.» Aufgrund der Rückmeldungen der behandelnden Zentren sei zu schliessen, dass es dabei keine Probleme gab.

Sucht Schweiz befürwortet die Vorgehensweise des Bundes, wie Sprecher Markus Meury gegenüber 20 Minuten sagt – denn: «Die Zielgruppe stellt bezüglich Covid eine besonders gefährdete Gruppe dar.» Bedenken, dass das neue Abgaberegime missbraucht werden könnte, hat Sucht Schweiz ebenfalls keine: «Die verantwortlichen Ärzte kennen ihre Patienten gut und wissen, wem sie wie viel mitgeben können.» Somit würden die Patienten «nicht in Versuchung kommen, mehr zu konsumieren». Auch das Risiko, dass das Heroin weiterverkauft wird, ist gemäss Meury klein: «Das Heroin wird meist in Pillenform abgegeben. Das erschwert den Wiederverkauf.»

«Die Patienten schätzen es sehr»

Bereits seit Beginn der Pandemie dürfen die Behandlungszentren in speziellen Fällen eine Ausnahmebewilligung für die Mitgabe von grösseren Dosen medizinischen Heroins beantragen. Von der seit März geltenden Sonderregelung machte auch der gemeinnützige Zürcher Verein Arud schon mehrfach Gebrauch, wie Sprecherin Julia Kind bestätigt. Die beteiligten Therapeuten hätten dabei «überwiegend positive Erfahrungen» gemacht: «Die Abgabe lief in einem sehr geregelten Rahmen ab: Die Therapeuten haben bei jedem Patienten individuell entschieden, ob er stabil genug ist und die Verantwortung für die höhere Dosis tragen kann.»

Die Patienten würden es «sehr schätzen», nicht täglich zur Abgabestelle kommen zu müssen, wie Kind sagt. «Viele von ihnen sind bereits seit Jahren in einer Opioid-Agonisten-Therapie, sind sozial eingebunden und gehen einer Arbeit nach. Die grössere Eigenverantwortung gibt ihnen einen grossen Mehrwert bezüglich ihrer Lebensqualität.»

Deine Meinung

105 Kommentare