20-Prozent-Jobs: Swiss Life will Mütter mit anderen Müttern ködern

Aktualisiert

20-Prozent-JobsSwiss Life will Mütter mit anderen Müttern ködern

Swiss Life sucht Mütter, die für eine Provision andere Mütter als Kundinnen anwerben. Damit nutze die Versicherung die Lage der Mütter aus, findet die Frauenzentrale.

von
V. Blank
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Die Versicherung Swiss Life wirbt explizit Mütter für Vermittlerjobs an. Das Stelleninserat ...

Die Versicherung Swiss Life wirbt explizit Mütter für Vermittlerjobs an. Das Stelleninserat ...

Keystone/Walter Bieri
... verspricht einen Freelance-Job in einem 20-Prozent-Pensum. Andrea Gisler, Präsidentin der Frauenzentrale Zürich, wusste nichts davon, dass sie im Inserat prominent zitiert wird.

... verspricht einen Freelance-Job in einem 20-Prozent-Pensum. Andrea Gisler, Präsidentin der Frauenzentrale Zürich, wusste nichts davon, dass sie im Inserat prominent zitiert wird.

Screenshot 20 Minuten
In der Annonce, die auf der Website Jobsfuermama.ch aufgeschaltet wurde, sucht Swiss Life «Mütter, die andere Mütter in ihrem Umfeld auf ihre Vorsorgesituation ansprechen und sie über ihre Möglichkeiten aufklären».

In der Annonce, die auf der Website Jobsfuermama.ch aufgeschaltet wurde, sucht Swiss Life «Mütter, die andere Mütter in ihrem Umfeld auf ihre Vorsorgesituation ansprechen und sie über ihre Möglichkeiten aufklären».

Screenshot 20 Minuten

Es läuft ab wie bei einer Tupperware-Party: Eine Frau lädt ihre Freundinnen ein und will sie zum Kauf der Produkte animieren. So oder ähnlich sollen auch die Altersvorsorge-Dienstleistungen der Versicherung Swiss Life beworben werden. Die Generalagentur Zürich-Limmatquai sucht per Online-Inserat «Vorsorge-Vermittlerinnen für Frauen» in einem 20-Prozent-Pensum; der Job richtet sich explizit an «Mütter, die andere Mütter in ihrem Umfeld auf ihre Vorsorgesituation ansprechen und sie über ihre Möglichkeiten aufklären», wie es in der Annonce heisst. «Wir sind offenbar die neue Zielgruppe von Swiss Life», ärgert sich 20-Minuten-Leserin D. V.*, selbst Mutter von zwei Kindern.

Die Stelleninhaberinnen sollen laut dem Inserat Mütter an die Swiss Life weitervermitteln. Dort soll sich die potenzielle Neukundin für 350 Franken einer Vorsorge- und Finanzanalyse unterziehen. Die Vermittlerin erhält dafür eine Provision pro vermittelte Beratung. Wie hoch dieser Betrag ist, gibt das Unternehmen nicht bekannt.

Analyse zum «Vorzugspreis»

Das Prinzip «Mütter werben Mütter an» ist laut Swiss-Life-Sprecher Martin Läderach sinnvoll: «Wir möchten die Mütter auf Augenhöhe ansprechen – ein Weg, sie besser zu erreichen, ist die Kontaktaufnahme über andere Mütter, die sich mit der eigenen Vorsorgesituation bereits auseinandergesetzt haben.» Es sei eine Tatsache, dass bei Frauen aufgrund von Mutterschaftspausen oder wegen familiär bedingter Teilzeitarbeit die Renten oft tiefer ausfielen als jene der Männer. Als Vorsorgeanbieter wolle man sich auf die speziellen Bedürfnisse der Frauen, speziell auch auf jene der Mütter, einstellen.

Mütter, die den Vermittler-Job haben wollen, müssen selbst eine Vorsorge- und Finanzanalyse durchlaufen – zu einem «Vorzugspreis», wie es in der Annonce heisst. «Das soll den Frauen aufzeigen, wie eine Beratung bei Swiss Life konkret abläuft», erklärt Läderach. Er weist zusätzlich darauf hin, dass die Mitarbeiterin nicht direkt bei Swiss Life angestellt ist, sondern im Rahmen einer Vermittlervereinbarung mit dem Generalagenten von Swiss Life zusammenarbeitet. Zur Vorbereitung auf den Job erhalten Kandidatinnen eine Einführung zum Thema Vorsorge. Sie dauert je nach Vorbildung ein paar Stunden.

Frauenzentrale übt Kritik

Bei der Frauenzentrale Zürich findet man das Stellenangebot der Swiss Life bedenklich. «Das Unternehmen versucht auf billige Weise stellensuchende Mütter anzuwerben», sagt Präsidentin Andrea Gisler zu 20 Minuten. Vor allem im Raum Zürich gebe es viele Frauen, die verzweifelt nach einem 20-Prozent-Job suchten. «Dieses Bedürfnis will die Versicherung ausnutzen, genauso wie das Unwissen der Bewerberinnen über die Bedingungen.»

Obwohl es sich viele Frauen wünschen – von Stellen in einem Kleinstpensum sei aus verschiedenen Gründen abzuraten, sagt die Frauenzentralen-Präsidentin weiter. Es sei paradox, dass im Stelleninserat auf die Gefahren von Teilzeitstellen mit tiefem Beschäftigungsgrad hingewiesen werde, die Stelle selbst aber nur ein 20-Prozent-Pensum umfasse. In der Swiss-Life-Annonce wird davor gewarnt, dass den Frauen, die über länge Zeit weniger als 70 Prozent arbeiten, «empfindliche finanzielle Einbussen in der Altersvorsorge» drohen.

«Damit widerspricht sich die Versicherung selbst», so Gisler. Letztlich gehe es der Swiss Life nicht um die Verbesserung der Vorsorgesituation der Mütter, sondern schlicht ums Verkaufen ihrer Produkte. Und noch etwas stösst der Frauenzentrale sauer auf: Im Online-Stelleninserat wird eingangs ein Zitat ihrer Präsidentin verwendet, in dem sie auf die schlechte Vorsorgesituation von Frauen hinweist. Informiert wurde Gisler darüber aber nicht.

Stelleninserat sorgte schon einmal für Aufsehen

Im vergangenen Jahr hatte schon einmal ein Stelleninserat der Swiss Life für Wirbel gesorgt. Die Tochterfirma Swiss Life Select bot «Jobs für Quereinsteiger» an und warb mit den «hervorragenden Verdienstmöglichkeiten». Bewerber waren damals schockiert, mit welch aggressiven Methoden sie Kunden anlocken sollten.

*Name der Redaktion bekannt

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