Depeche Mode: Synthies, Pirouetten und Haargel im Hallenstadion

Aktualisiert

Depeche ModeSynthies, Pirouetten und Haargel im Hallenstadion

Wenn Depeche Mode rufen, kommen die Fans in Scharen. Gleich zwei Konzerte spielen sie dieses Wochenende im Hallenstadion. Viel falsch machen können Dave Gahan und Co. nicht.

Neil Werndli
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Neil Werndli

So etwas wie Übersättigung scheinen Depeche-Mode-Fans nicht zu kennen. Bereits im Sommer vergangenen Jahres bespielten die Synthie-Pioniere das Stade de Suisse und nun, etwas mehr als ein halbes Jahr später, stehen sie gleich an zwei Abenden vor einem rappelvollen Hallenstadion.

Der Kult um Depeche Mode – und vor allem um Frontmann Dave Gahan – ist ungebrochen. Dies liess sich am Freitag in Zürich schön beobachten. Schon beim stupiden Techno-Beat vor Konzertbeginn knistert es in der Menge – die ersten Klatscher und ungeduldigen Pfiffe werden laut. Als die Band dann die Bühne betritt, gibt es auch für Ü30er, die einen Grossteil des Publikums ausmachen, keinen Grund mehr, sich zurückzuhalten. Kreischen können eben doch nicht nur die Belieber.

Sitzen? Nein, Danke.

Bei Dave Gahans Bühnenpräsenz ist es aber ausnahmsweise gestattet, dass sich auch die pflichtbewussteste Hausfrau zu einem Teenie zurückentwickelt. Der Mann ist mittlerweile 51 Jahre alt, wirbelt aber immer noch über die Bühne wie ein gedoptes Duracell-Häschen. Die ersten Pirouetten schlägt er noch bevor das Schlagzeug erklingt. Und wenn er mit der Menge flirtet, ist Dave Gahan – der Melancholiker mit Drogenvergangenheit – ganz Rockstar. Von der gegelten Frisur bis zur glänzende Jacke, die er schon bald unter tosendem Applaus auszieht. Wer übrigens glaubt, bei einem Depeche-Mode-Konzert auf den Sitzrängen tatsächlich sitzen zu können, liegt falsch. Jeder, der nicht spätestens beim vierten Song «Precious» euphorisch vom Stuhl springt, ist hier Aussenseiter.

Es lässt sich nicht leugnen, dass aus den genreprägenden Synthie-Pionieren über die Jahre eine ordinäre Rockband geworden ist. Dies mag einerseits an den grossen Gesten, andererseits am sehr dominanten Live-Schlagzeug liegen. Die elektronischen Spielereien, ein elementarer Bestandteil des Depeche-Mode-Sounds, werden vom Gehämmer der Band immer wieder verdrängt. Und auch Soundtüftler Martin Gore, der nicht mehr annähernd so präsent wie sein Sänger ist, verkommt zum Nebendarsteller. Die Akustiknummern, bei denen Gore kurzzeitig die Rolle des Frontmanns einnimmt, kann man entweder als erfrischende Verschnaufpause oder als überflüssige Bremse in der Konzertdynamik sehen. Verglichen mit Dave Gahan wirkt er jedenfalls wie ein schüchterner Kandidat beim The-Voice-Casting.

Eine hell beleuchtete Sackgasse

Die Setlist unterscheidet sich im Hallenstadion nur minimal vom Konzert im Stade de Suisse. Es gäbe aber auch gar keinen Grund, sie zu ändern. Der Mix aus Hits und einigen Pflichtnummern vom neuen Album «Delta Machine» funktioniert perfekt. Ein steter Aufbau, der mit «Enjoy The Silence» und «Personal Jesus» in einem bombastischen Finale gipfelt. Danach gehen erst einmal die Lichter aus, bevor die fünf Herren für eine Zugabe zurückkehren, um noch die weiteren Hymnen zum Besten zu geben, ohne die die Anhänger nicht nach Hause gehen würden. Keine Überraschungen. Man will die treuen Fans ja nicht vor den Kopf stossen, auch wenn sie es wohl verliebt-grinsend verzeihen würden.

Böse Kritiker könnten behaupten, Depeche Mode befinden sich in einer Sackgasse. Mit Shows, die sich seit Jahren kaum verändern, sind sie mittlerweile zu einer Kopie ihrer selbst geworden. Laser, Stroboskope und Video-Leinwand lenken davon ab, dass diese Band schon vor Jahren ihre Relevanz verloren hat. Es wirkt fast schon zynisch, wenn sie etwa das Publikum minutenlang mit einer verlangsamten Version des Personal-Jesus-Riffs ködern. Aber immerhin geniessen es Depeche Mode auch heute noch, wenn der Hit dann endlich wirklich los geht, das ganze Stadion mitstampft und Dave Gahan – mittlerweile mit freiem Oberkörper – zugejubelt wird. Sie werden auch beim nächsten Mal kommen, die Fans. Überzeugend war das Konzert nämlich allemal – ob es aussergewöhnlich war, sei dahingestellt.

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